Ihr finanzielles Ziel - Wie viel soll es denn sein?
Wer sein Ziel nicht kennt, hat keine Chance, dort anzukommen, wohin er möchte. Jede Finanzplanung beginnt daher damit, ein gerne ambitioniertes aber realistisches finanzielles Ziel zu bestimmen. Wer sein finanzielles Ziel konkret benennen kann, ist des meisten anderen Menschen schon einen entscheidenden Schritt voraus.
Übrigens: Auch Ziele erreichen macht glücklich
Im vorangegangenen Kapitel haben wir gesehen, dass sich nachhaltiges Glück einstellt, wenn sich ambitionierte aber realistische Erwartungen sukzessive erfüllen. Ziele haben und erreichen, macht glücklich - das hat jeder von uns schon erlebt. Wer joggt kennt das Glücksgefühl, eine persönliche Bestzeit gelaufen zu sein, völlig egal, dass man im Starterfeld unter ‚ferner liefen’ ankam. Entsprechend schließt der Philosoph John Rawls (1975), dass der Mensch glücklich ist, wenn er bei der Ausführung seines vernünftigen, langfristigen Lebensplanes einigen Erfolg hat.
Die meisten Menschen haben nur eine sehr verschwomme Vorstellung von Ihrem Leben, meistens keinen Lebensplan oder gar ein konkretes Ziel. Ohne eigenes klares Ziel machen sie sich jedoch zum Spielball der Interessen und Ziele anderer. Andere werden letztlich über sie entscheiden: das sind diejenigen, die ihr Ziel kennen und tatkräftig verfolgen.
Wer sein Ziel nicht kennt, hat keine Chance, dort anzukommen, wohin er möchte. Es wäre reiner Zufall, gelänge es doch. Sie steigen ja auch nicht in ein Taxi und sagen ‚Fahren Sie mich irgendwo hin’ – Sie würden zwar viel sehen, vielleicht gefällt Ihnen die Fahrt sogar - aber es würde teuer. Und selbst wenn 'Hinsichtlich ihrer finanziellen Planung befinden sich die meisten Menschen auf einer lebenslangen Taxi-Odyssee: kostspielig, und ohne das Ziel je zu erreichen.' AnlegerCampus das Taxi rein zufällig an Ihrem Ziel vorbei kommt, müssten Sie doch Ihr Ziel kennen, um rufen zu können: ‚Halt! Ich möchte aussteigen’. Hinsichtlich ihrer finanziellen Planung befinden sich die meisten Menschen auf einer lebenslangen Taxi-Odyssee: kostspielig, und ohne das Ziel je zu erreichen. Rückblickend wird dann meist das Erreichte zum Ziel erklärt oder anders gerechtfertigt, warum nicht mehr möglich war – man will sich ja nicht mit Selbstvorwürfen geißeln: ‚peace of mind’ – der Seelenfriede wird hergestellt.
Ihr Leben und Ihre finanzielle Zukunft im Besonderen sollten aber keine lebenslange Irrfahrt sein. Sie sollten sich auch nicht zum Spielball der ‚Experten’ und der Meinung anderer machen. So wird man schnell ‚Opfer’, beispielsweise einer Finanzbranche, die allesamt davon lebt, möglichst viel an Ihnen zu verdienen.
Ziele konkret formulieren
Gute Ziele sind ‘SMAC’ (specific (spezifisch), measurable (messbar), achievable (erreichbar), controllable (kontrollierbar)), also sehr konkret formuliert hinsichtlich Zielgröße, Zielwert, Zeitpunkt, Messverfahren, sowie ambitioniert aber realistisch hinsichtlich ihrer Erreichbarkeit.
Ein Beispiel: Viele haben den Wunsch nach körperlicher Fitness, aber verschieben das Training Tag um Tag. Anders diejenigen, die sich z.B. das Ziel setzen, einen Marathon zu laufen. Dies ist ein Ziel, sogar ein sehr spezifisches. Aber es ist noch nicht SMAC.
Messbar: Am Marathon in Berlin in 2 Jahren teilnehmen (definiert die Strecke, den Ort, das Datum); noch genauer: wollen Sie lediglich ‚finishen’, oder gar eine bestimmte Zeit erreichen?
Achievable: Ist das Ziel realistisch? Wenn Sie heute 65 sind und noch nie eine längere Strecke gelaufen sind, sollten sie nicht eine Zeit unter 4 Stunden anstreben. Also: Ziele gerne ambitioniert, aber realistisch stecken.
Controllable: Der Veranstalter wird Ihre Zeit messen, es wird eine Ergebnisliste veröffentlicht werden, Sie werden ggf. eine Urkunde über Ihr Ergebnis erhalten.
Konkrete finanzielle Ziele
Viel Ziele lassen sich zum Glück sehr konkret benennen: Wer in 20 Jahren eine Hypothek über € 200.000.- ablösen muss, kennt bereits heute:
- den Ziel-Betrag,
- den Zeitpunkt, an dem das Geld zur Verfügung stehen soll; und damit den maximalen Anlagehorizont für die Sparbeträge, sowie
- die Währung, in der der Zielbetrag erreicht werden soll.
Wer jetzt noch weiß, wie hoch sein Kapitalstock heute bereits ist und wie viel er ggf. noch sparen kann (monatlich, jährlich), hat wichtige Daten für einen Finanzplan bereits zusammen.
Unkonkrete Ziele genauer bestimmen
Fragt man Menschen nach ihrem Lebenstraum, sind die Antworten wesentlich unkonkreter: die ‚finanzielle Unabhängigkeit’ gilt vielen als ein hohes Gut. Finanziell unabhängig sein verbindt man mit Freiheit. Nicht mehr des Geldes wegen zu arbeiten, sondern jeden einzelnen Tag seinen persönlichen Zielen und Interessen widmen zu können. Nur noch das tun, was man selbst für richtig und wertvoll hält. Sein Leben genau so zu führen, wie man es sich immer erträumt hat. Mancher möchte sich diesen Traum schon deutlich vor dem Eintritt ins Rentenalter erfüllen; spätestens zur Rente sollten Sie sich diesen Traum erfüllen: sorgenfrei sein Leben genau so zu führen, wie man es sich immer erträumt hat.
Finanzielle Sicherheit macht glücklich(er)
Finanzielle Sicherheit ist ein wesentlicher Faktor unseres empfundenen Glücks. Obwohl die Gesellschaft in den letzten 50 Jahren deutlich wohlhabender geworden ist, hat das Gefühl von finanzieller Sicherheit nicht zugenommen. Während eine höhere Lebenserwartung sicher erfreulich ist bedeutet dies gleichzeitig, dass wir unseren chancenreicheren Lebensstil über einen deutlich längeren Horizont absichern müssen. Schon eine geringe Zunahme der wahrgenommenen finanziellen Unsicherheit reduziert das Wohlbefinden stärker, als beispielsweise starke physische Schmerzen (Cummins, R., 2006).
Es ist zwar viel Wahres an dem Sprichwort, dass ‚die Besten Dinge im Leben kostenlos sind’ (Liebe, Lachen; Zeit mit Freunden, Kindern, Enkeln; ein gutes Gespräch, Schlafen, Sommer, Sonne,…). Für ein sorgenfreies Leben nach Ihren Vorstellungen, brauchen Sie aber fast immer zumindest einige finanzielle Mittel.
Wie viel Geld brauchen Sie im Monat, um sich finanziell unabhängig zu fühlen?
Sie haben sich vielleicht etwas über das vorangegangene, etwas philosophische Kapitel gewundert; aber genau jetzt profitieren Sie von Ihren Überlegungen. Sie haben jetzt eine sehr viel bessere Vorstellung von dem, was Sie wirklich glücklich macht und können den dazu erforderlichen monatlichen Betrag deutlich besser schätzen. Ein Student mag sich mit € 1000.- / Monat finanziell unabhängig fühlen, vielleicht sind es bei Ihnen € 4.000.-; vielleicht arbeiten Sie heute im Top-Management und benötigen monatlich € 20.000.- oder mehr, um den gewohnten Lebensstil beizubehalten, vorausgesetzt, dies ist Ihr Wunsch.
Die finanzielle Unabhängigkeit bzw. die Altersvorsorge planen
Entlang der folgenden Fragen können Sie Ihre finanziellen Unabhängigkeit bzw. Ihre auskömmliche Versorgung im Alter planen:
- Wie viel Geld werden Sie monatlich für ein sorgenfreies Leben nach Ihren Vorstellungen brauchen?
- Welchen Beitrag zu den erforderlichen Einkünften können Sie aus ‚sicheren Quellen’ beziehen (z.B. Renten: gesetzliche Rente, betriebliche Altersvorsorge, bereits bestehende private Altersvorsorge).
- Ergibt sich aus 1. und 2. eine Unterdeckung bezeichnet dies eine Versorgungslücke, die durch Kapitalvermögen zu decken ist.
- Wie hoch muss der Kapitalstock sein, um aus Kapitalerträgen die Versorgungslücke zu schließen, a) ohne Verzehr des Kapitalstocks, b) mit Verzehr des Kapitalstocks?
- Wie viel Ersparnisse habe ich bereits bzw. wie viel werde ich durch künftige Sparleistung noch beitragen, um den Kapitalstock aufzubauen?
- Die daraus resultierende Anlagestrategie – passt sie zu mir? D.h.: Habe ich ausreichend Zeit den Kapitalstock aufzubauen; beginne ich rechtzeitig genug? Mit welcher Rendite müssten sich meine Ersparnisse verzinsen, damit der Kapitalstock die anvisierte Zielgröße erreichen kann? Sind diese Renditeerwartungen realistisch? Kann ich das mit dem Renditebedarf verbundene Risiko (er-)tragen? (Diese Frage werden wir gesondert in den folgenden Kapiteln betrachten).
Exkurs
Ein Beispiel zur Illustration der Vorgehensweise (folgt)
Jetzt haben Sie
- ein eigenes, konkretes Ziel fest vor Augen,
- welches Sie vom Ende her bestimmt haben. Nun können Sie das Handeln des kommenden Monats, der kommenden Woche und, besonders wichtig, des heutigen Tages daraus ableiten,
- und werden die Linie, das große Ganze, auch im Alltag nicht verlieren, weil Sie sich bei jeder Entscheidung fragen: Dient es meinem Ziel?
Lesen Sie weiter:
Über Risiko - was fürchten Sie am meisten?
Literaturhinweise
Rawls, John, 1975, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Suhrkamp, insbes. S.113;
Cummins, R., et al, 2006, Wellbeing of Australians: income security, Deakin University, Geelong, Vic..