Dividendenstrategie
Spätestens zu Beginn jeder Berichtssaison erscheinen sie wieder: Artikel, die hohe Dividenden als Renditetreiber für’s Depot loben und Ratschläge geben, wie Anleger von hohen Dividenden-Renditen am besten profitieren können. Die Argumentation ist dabei fast immer von eklatanten Irrtümern geleitet.
Denn es ist nicht die Dividende, die für eine hohe Rendite sorgt. Die richtige Frage hinter einer Dividendenstrategie ist: Ist eine hohe Dividendenrendite ein guter Indikator für einen überdurchschnittlichen Wertzuwachs dieser Aktie in der Zukunft?
Dividendenrendite und Gesamtrendite
Für den Anleger ist die Gesamtrendite seines Aktien-Investments entscheidend, bestehend aus Ausschüttungen, d.h. der Dividende, und der Kursentwicklung.
Dividendenstrategie aus Sicht des Unternehmens
Mit der Dividende schütten Unternehmen einen Teil ihres Kapitals an die Anleger aus. Nachdem eine Dividende ausbezahlt wurde, ist der Wert des Unternehmens und der finanzielle Spielraum des Managements entsprechend gesunken. Für das Management besteht zudem keine Verpflichtung eine Dividende zu zahlen. Ob und in welcher Höhe eine Dividende gezahlt wird, ist vor allem eine Entscheidung der Dividendenstrategie der Unternehmensleitung.
Unternehmen, die lukrative Expansionsmöglichkeiten sehen, handeln durchaus im Interesse des Aktionärs, wenn sie den Gewinn in die Expansion investieren, anstatt ihn als Dividende auszuschütten. Der Anleger vermeidet Steuern auf Ausschüttungen und profitiert vom zukünftigen Wachstums des Unternehmens, ausgedrückt in Kurssteigerungen.
Unternehmen, die keine rentierlichen Investitionsmöglichkeiten sehen, können Gewinne auch in Form von Aktienrückkäufen ‚ausschütten’: die Zahl der Aktien sinkt, der (Unternehmens-) Wert je Aktie steigt, der Anleger profitiert von Kurssteigerungen, die er erst bei Veräußerung seiner Aktien zu versteuern hat.
Dividende aus Sicht des Anlegers
Nach Ausschüttung der Dividende ist das Kapital des Unternehmens, und damit der Wert des Unternehmens, um den entsprechenden Betrag gesunken. Für Anleger ist die Dividende somit zunächst einmal ‚rechte Tasche – linke Tasche’: der Anleger ‚tauscht’ Unternehmenswert gegen Barmittel. Nach Berücksichtigung von Steuern ist es noch nicht einmal das: der Anleger, der eine Dividende erhält, stellt sich netto meist schlechter als derjenige, der keine Ausschüttung erhält.
Beispiel: Ein Unternehmen mit einem Wert von 100.- schüttet 5.- aus. Anschließend ist der Wert des Unternehmens auf 95.- gesunken; dem Aktionär ist seinem Anteil entsprechend ein Teil der Ausschüttung von 5.- zugeflossen. Für den Anleger macht es nun keinen Unterschied, ob er einen Anteil am Wert von 100.- besitzt, oder einen Anteil am Wert von 95.- plus einem Anteil an der Dividende von 5.-. Dass dem tatsächlich so ist, zeigt die Kursentwicklung am Tag der Dividendenzahlung: die Kurse werden ‚Ex-Dividende’ gestellt und sind meist exakt um die Höhe der Dividende gekürzt.
Anleger mögen bei Dividenden aber auch den regelmäßiger Zufluss an Barmitteln schätzen, beispielsweise, wenn daraus der Lebensunterhalt bestritten werden soll. Wer auf regelmäßige Zuflüsse an Barmitteln angewiesen ist, kann dies aber auch durch regelmäßige Entnahmen herstellen, und so das sowieso erforderliche Rebalancing effizient vorwegnehmen (vgl. Kapitel Rebalancing).
Wie entsteht eine hohe Dividendenrendite?
Eine Dividendenstrategie investiert stets in die Aktien mit der höchsten Dividendenrendite. Die Dividendenrendite setzt die vom Unternehmen gezahlte Dividende mit dem Kurs der Aktie ins Verhältnis.
Ein Beispiel: Das Unternehmen erzielt einen Gewinn von € 4.- je Aktie und schüttet davon eine Dividende von € 2.- je Aktie aus. Bei einem Kurs der Aktie von aktuell € 100.-, ergibt dies eine Dividendenrendite von € 2 / € 100 = 0,02 bzw. 2%.
Viele Unternehmen bemühen sich um eine stetige, berechenbare Dividendenpolitik. Stark schwankende Dividenden sprechen kaum für eine gute, vorausschauende Unternehmensführung. Kürzungen der Dividende werden meist von einem Vertrauensverlust und heftigen Kursabschlägen begleitet, welches das Management naturgemäß zu vermeiden sucht.
Meist ist es daher ein günstiger Aktienpreis, der dafür sorgt, dass ein Unternehmen eine hohe Dividendenrendite ausweist. Das Unternehmen ist bereits in einer Krise oder Anleger befürchten, dass sich die Zukunftsperspektiven eintrüben könnten. Trotzdem hat das Unternehmen zuletzt eine ordentliche Dividende gezahlt und wird dies ggf. sogar weiterhin tun.
Hiermit verfügen Sie bereits über das Wissen, um die größten, und immer wieder gerne wiederholten, Irrtümer bezüglich dividendenstarker Aktien als solche zu entlarven. Lesen Sie nach dem Exkurs, welchen Beitrag dividendenstarke Aktien in einem diversifizierten Depot leisten können.
Exkurs: Dividendenstrategie – Die größten Irrtümer
Irrtum 1: Hohe Dividenden = hohe Rendite des Investments.
Wie oben gezeigt, ist für den Anleger vor allem die Gesamtrendite entscheidend, bestehend aus Dividende und Wertentwicklung der Aktie. Die Dividende selbst ist zunächst einmal ‚rechte Tasche - linke Tasche’. Ein Unternehmen ist noch lange kein gutes Investment, nur weil es eine hohe Dividende ausschüttet.
Bei ansonsten gleichem Geschäftsverlauf kann das eine Unternehmen entscheiden, gar keine Dividende auszuschütten, ein anderes entschließt sich eine hohe Dividende auszuschütten. Welches Unternehmen ist das bessere? Man kann es nicht sagen. Alleine die Entscheidung des Managements über seine Dividendenstrategie macht ein Unternehmen noch nicht zu einem besseren Investment.
Zudem gibt es zahlreiche andere, für den Anleger möglicherweise rentierlichere Möglichkeiten, den Gewinn eines Unternehmens zu verwenden (Aktienrückkäufe etc.). Gerade junge wachstumsorientierte Unternehmen zahlen in der Regel keine Dividende, weil es, auch für den Aktionär, rentierlicher erscheint, das Kapital in die weitere Expansion des Geschäftes zu investieren. In diesem Sinne kann die hohe Dividende eines anderen Unternehmens auch Ausdruck fehlender lukrativer Investitionsmöglichkeiten in deren Geschäftsfeld sein – keine gute Perspektive.
Irrtum 2: Unternehmen mit hoher Dividendenrendite geht es gut. Daher: Je höher die Dividendenrendite, umso besser die Aktie.
Die Dividendenrendite beschreibt das Verhältnis von Dividende zum einen, und dem Kurs des Wertpapiers zum anderen. Eine hohe Dividendenrendite entsteht mathematisch somit auch, wenn der Kurs niedrig ist (ggf. gerade zusammengebrochen ist). Beispielsweise könnte das Unternehmen akute Probleme haben oder die Anleger befürchten dies für die Zukunft. Bekanntlich nimmt die Börse die Zukunft meist vorweg. So haben die Banken in der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 noch hohe Dividenden gezahlt, als die Kurse längst zusammengebrochen waren. Ergebnis: Banken wiesen exzellente Dividendenrenditen auf. Ein weiteres Beispiel: Anfang 2013 zahlen Versorger wie EON hohe Dividendenrenditen. Die Kurse sind niedrig, weil Anleger die Zukunftsperspektiven deutlich eingetrübt sehen, bedingt durch die sogenannte Energiewende. Eine hohe Dividendenrendite kann somit auch Ausdruck der Erwartung sein, dass das Unternehmen zukünftig die Dividende wird kürzen müssen. Werden trotzdem hohe Dividenden weiterhin gezahlt, kann dies alleine der Zwangslage geschuldet sein, um Aktionäre ‚bei der Stange’ zu halten.
Irrtum 3: Die Dividende ist eine wichtige Ertragskomponente.
Regelmäßig wird darauf verwiesen, dass die Dividendenrendite einen erheblichen Teil der Gesamtrendite von Aktien ausmacht. Das ist zunächst einmal richtig. Doch da die Unternehmen mit der Dividende einen Teil ihrer Substanz auschütten (wie oben gezeit), wäre die Schlußfolgerung falsch, dass die Gesmtrendite geringer wäre, wenn die Unternehmen weniger oder garkeine Dividende zahlen würden. Der Unternehmenswert, und damit der Kurs, wären entsprechend höher.
Als Beleg für die Bedeutung der Dividende wird gelegentlich auch verglichen: Indizes mit verrechneter Dividende, sogenannte Performance Indizes (auch Net-Return Indizes bzw. Total Return Indizes genannt), entwickeln sich besser, als Indizes ohne verrechnete Dividende, sogenannte Preis- oder Kurs-Indizes.
Auch das ist zunächst einmal korrekt. Performance-Indizes entwickeln sich tatsächlich besser als Preis-Indizes. Das ist aber leider kein Beweis dafür, dass die Dividende eine wichtige Ertragskomponente ist. Der Vergleich sagt lediglich: Wer spart, hat am Ende mehr als derjenige, der konsumiert.
Denn Performance-Indizes unterstellen, dass Ausschüttungen sofort wieder ins gleiche Wertpapier re-investiert werden. Price-Indizes unterstellen, dass Ausschüttungen nicht erneut angelegt werden.
Wer also auf die Überrenditen der Dividenden-Indizes schielt erhält diese nur dann, wenn er die Ausschüttungen re-investiert. Doch selbst dem disziplinierten Wiederanleger wird auch das kaum gelingen, weil Steuern und Transaktionskosten den Wiederanlagebetrag mindern. Wer in thesaurierende ETFs investiert, der re-investiert Dividenden automatisch, bequem, konsequent und ohne die Kosten der Wiederanlage: hat also bessere Chancen, die langfristige Rendite der Performance-Indizes auch tatsächlich zu erreichen.
Wenn Dividenden letztlich ‚rechte Tasche / linke Tasche’ sind, müssen überdurchschnittliche Renditen der ‚Dividenden-Könige’, wenn es die denn tatsächlich gibt, aus zukünftigen Kurssteigerungen kommen. Die richtige Frage ist somit: ist die Dividendenrendite ein Indikator für überdurchschnittliche Kurssteigerungen in der Zukunft?
Hohe Dividendenrendite als Indikator für unterbewertete Aktien?
Warum ist der Kurs einer bestimmten Aktie so niedrig, dass sich eine hohe Dividendenrendite ergibt? Aktuell hat die Mehrheit der Anleger offensichtlich keine hohe Meinung von dem Unternehmen. Das Unternehmen steht derzeit nicht in der Gunst der Anleger. Genau dies aber zeichnet unterbewertete Unternehmen aus. Genau dies ist es, worauf beispielsweise die Contrarien-Strategie setzt und woraus Value-Aktien die langfristigen Überrenditen generieren: wenn andere Anleger ebenfalls erkennen, dass diese Unternehmen unterbewertet sind, können Kurse überdurchschnittlich steigen.
Die Frage hinter einer Dividendenstrategie ist somit: gelingt es, über die Kennzahl Dividendenrendite solche Unternehmen zu identifizieren, die aktuell günstig zu haben sind und zukünftig überdurchschnittliche Kurs-Chancen eröffnen? Und: wie gut gelingt es der Kennzahl Dividendenrendite im Vergleich zu anderen Kennzahlen? Entsprechende Studien hierzu stellen wir im Kapitel Value-Strategie vor.
Fazit
- Die Dividende an sich ist somit alles andere als ein Renditetreiber fürs Depot, wie oft und genauso fälschlich behauptet wird. Dividenden-Titel sind nicht deshalb interessant, weil sie eine hohe Ausschüttung im Vergleich zum Kurs aufweisen, sondern weil sie aktuell nicht in der Gunst der Anleger stehen, daher Value-Titel sein könnten. Das ändert auch nicht der Umstand, dass gelegentlich die Dividendenrendite sogar höher als die Anleiherendite sein kann: weil Dividenden für den Anleger bestenfalls ‚rechte Tasche – linke Tasche’ sind.
- Wer Ausschüttungen schätzt (und Dividenden nicht erneut anlegt), wird kaum die Renditen der Performance-Indizes erzielen. Konsum, Steuern und Transaktionskosten mindern seinen Vermögenszuwachs.
- Wenn Dividenden gezahlt werden, dann sind meist jene Dividenden interessanter, die dem Anleger nicht zufließen, wie z.B. bei Aktienrückkäufen. Dazu gehören auch thesaurierende (Index-) Fonds, die zufließende Dividenden reinvestieren sowie Fonds, die Performance-Indizes synthetisch nachbilden.
Hiermit sind Sie am Ende von Schritt 2 angekommen. Weiter zum nächsten Schritt, Schritt 3,
Ihre persönliche Anlagestrategie (ein Überblick)
oder sich den Überblick sparen und gleich weiter mit dem ersten Kapitel im Schritt 3: