Anlageklassen und deren Charakter
Folgen wir der Portfoliotheorie nach Markowitz und betrachten für die wichtigsten Anlageklassen die drei Parameter, die für die Entwicklung des gesamten Portfolios maßgeblich sind:
- die zukünftige Rendite jeder Anlage,
- die Schwankungsbreite der Renditen jeder Anlage – als Ausdruck des Risikos (gemessen als Standardabweichung bzw. Varianz),
- und die Entwicklung der Renditen der Anlagen im Verhältnis zueinander (gemessen als Korrelation).
Rendite, Standardabweichung und Korrelation der Anlageklassen
Wir haben bereits gesehen, dass Rendite und Risiko meist eng miteinander verbunden sind. Man kann auch sagen: Rendite entsteht aus Risiko. Risiko entsteht durch Ungewissheit. Bei Geldanlagen und Kapitalinvestments ist die Ungewissheit umso größer, je schwieriger sich zukünftige Renditen prognostizieren lassen und je mehr die zukünftige Renditen schwanken. In sofern können wir einen engen Zusammenhang zwischen Rendite und Schwankungsintensität einer Anlageklasse erwarten.
Historische Entwicklung – Statistik
In der Tabelle unten haben wir uns für eine inflationsbereinigte Darstellung der Renditen entschieden, also den realen Renditen. Die nominale Rendite erhält man, indem man zur realen Rendite die Inflation in dem entsprechenden Zeitraum (Deutschland 2,9%) addiert.
Tabelle: Anlageklassen und ihre historische Renditen, Standardabweichungen und Korrelationen im Vergleich (Kopie 1)
1971-2010 | Korrelationen der Anlageklassen 2009-2012 | |||||||||
Rendite nominal % | Rendite | Stand. | Aktien Schwellen-länder | Aktien Industrie- länder | Roh- | Gold | REITs | Anleihen €-Zone AAA | ||
Aktien Schwellen-länder (seit 1988) | 14,4 | 11,5 | 40 | 1,0 | ||||||
Aktien | 7,1 | 4,2 | 22 | 0,8 | 1,0 | |||||
Rohstoffe | 7,5 | 4,6 | 25 | 0,6 | 0,6 | 1,0 | ||||
Gold | 6,9 | 4,0 | 25 | 0,2 | 0,1 | 0,1 | 1,0 | |||
Immobilien-Aktien Global (REITs) | 6,3 | 3,4 | 26 | 0,8 | 0,9 | 0,9 | 0,2 | 1,0 | ||
Anleihen €-Zone (AAA); | 6,9 | 4,0 | 5 | -0,3 | 0,0 | -0,3 | 0,1 | 0,0 | 1,0 | |
Geldmarktzinsen (D) | 5,4 | 2,5 | 3 | -0,3 | -0,4 | -0,4 | -0,4 | -0,3 | -0,1 | |
Quelle: eigene Berechnungen | < 0,3 | guter Diversifizierer | ||||||||
> 0,3 - 0,6 | mittlerer | |||||||||
> 0,6 | schwacher Diversifikationseffekt |
Die Renditen der Anlageklassen im historischen Kontext
Da Datenreihen für einige Indizes nicht weiter zurück reichen, lässt sich ein einigermaßen komplettes Bild nur für die letzten 30-40 Jahre erzeugen. Betrachtungszeiträume von 40 Jahren sind zwar hinreichend, um die typischen Wertschwankungen und Korrelationen zu erfassen. Für eine Betrachtung der Renditen ist der Zeitraum in der Regel noch zu kurz. Denn für einige Anlageklassen sind lang laufende Zyklen, die auch über mehrere Jahrzehnte reichen können, nicht untypisch. Für den US Markt stehen Statistiken teilweise für 200 Jahre zur Verfügung. Eine exzellente Analyse langfristiger historischer Renditen findet sich beispielsweise in Jeremy Siegel’s Buch ‚Stocks for the Long Run’ (2008) auf Basis von Zahlen für den amerikanischen Markt.
Die Renditen der letzten 40 Jahre sind geprägt durch vier Entwicklungen:
1) Fallende Inflationsraten seit der Hoch-Inflations/Hoch-Zinsphase Anfang der 80er Jahre bescherten Anleihen in den letzten 30 Jahren ‚Traumrenditen’. Betrachtet man Zeitreihen, die bis zum 2. Weltkrieg und weiter zurückreichen (verfügbar für den US Markt), so erzielen Anleihen mit hoher Konstanz eine reale Rendite von ca. 1%. Nach dem 2. Weltkrieg bis Ende der 70er Jahre erzielten US-Anleihen über mehr als 30 Jahre negative reale Renditen, da sich der Staat der Kriegsschulden entledigen musste (finanzielle Repression).
Wenn Anleihen langfristig zu 1% realer Rendite tendieren und die letzten 30 Jahre weit überdurchschnittlich waren, könnte zukünftig eine (lange) Phase negativer Anleiherenditen das Niveau auf den langfristigen Durchschnitt zurückführen.
2) Die Globalisierung beschert den Schwellenländern den wirtschaftlichen Aufstieg.
3) Rohstoffe erleben einen Preisauftrieb, der von Knappheit gekennzeichnet ist. Erweitert man den Betrachtungszeitraum wird deutlich, dass seit 1947 der Preisanstieg vieler Rohstoffe (insbesondere Agrarprodukte) nicht einmal die Inflationsrate kompensiert. Das gilt übrigens auch für Gold. ‚Goldfans’ nehmen genau dies zum Anlass noch viel Potential für weitere Preissteigerungen zu sehen (Mitte 2012 steht der Kurs bei $ 1700/Unze). Industriemetalle schaffen zumindest den Inflationsausgleich; alleine Rohöl schafft einen (vergleichsweise bescheidenen) realen Wertzuwachs, insbesondere durch den Preisanstieg in Folge des ‚Ölschocks’ seit Anfang der 70er Jahre.
4) Die Anlage-Konkurrenz der attraktiven Anleiherenditen, die wirtschaftliche Konkurrenz der Schwellenländer und die gestiegenen Rohstoffpreise drücken auf die Renditen der Aktien der Industrieländer.
Fazit: Nutzen der Anlageklassen für das diversifizierte Portfolio
Wie erwartet, markieren Aktien einerseits, und Anleihen/Geldmarkzinsen andererseits, die Außenpole auf der Rendite-/Risikoskala. Insofern entspricht die tatsächliche Entwicklung der Märkte der Theorie. Aktien und Anleihen korrelieren neutral. Aktien und Anleihen/Geldmarkt präsentieren sich somit als die idealen Diversifizierer. Je nach Kombination kann mit diesen beiden Anlageklassen jedes Portfolio auf das persönliche Rendite-Risikoprofil eines Anlegers eingestellt werden.
Immobilien und Rohstoffe zeigen im Vergleich zu Aktien ein ungünstigeres Verhältnis von Rendite zu Risiko. Sie können einen, wenn auch bescheidenen, Beitrag als Diversifizierer leisten.
Die zukünftigen Renditen sind nur vage prognostizierbar. Entwicklungen, die wir beobachten, können anhalten, sich aber auch ins Gegenteil verkehren. Historische Renditen machen vor allem eine Aussage über die Vergangenheit; sind demnach für die Zukunft nur dann aussagekräftig, wenn die Zukunft einigermaßen der Vergangenheit entspricht. Allerdings: eine der gefährlichsten Annahmen beim Geld anlegen ist, dass heute alles anders ist, als in den letzten 100 – 200 Jahren (auch bekannt als ‚This-time-it’s-different’-Syndrom). Eine solche Argumentation wird meist bemüht um Bewertungen zu rechtfertigen, die von historischen Durchschnitten deutlich abweichen – und damit eher den Charakter einer Blase haben.
Anders bei Standardabweichungen und Korrelationen: Die Standardabweichung ist typisch für eine Anlageklasse und lässt recht gut erahnen, wie unstetig sich die Renditen einer Anlageklasse entwickeln. Wer Korrelationen bei der Zusammenstellung seines Portfolios berücksichtigt, verbessert sein Anlageergebnis (vgl. Michaud, 1989).
Anlageklassen sollten möglichst komplett abgebildet werden. Wer beispielsweise nur auf Aktien der entwickelten Länder setzte, hat den Boom der Schwellenländer verpasst, und damit einen erheblichen Teil des Rendite-Premiums der Anlageklasse.
Rendite, Standardabweichung, Korrelation der Anlageklassen im Einzelnen
Renditen analysieren - Renditen verstehen
Jeder Anleger hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten: er kann sein Geld investieren oder verleihen.
Wer sein Geld investiert erwirbt Eigentum z.B. an einem Unternehmen (durch Aktien, Private Equity (für junge, noch nicht börsennotierte Unternehmen)), an Immobilien oder Rohstoffen – um die Hauptkategorien zu nennen. Wer Eigentum erwirbt, verbindet seinen persönlichen Erfolg unmittelbar mit dem Erfolg seines Investments, z.B. mit dem Geschäftserfolg ‚seines’ Unternehmens.
Wer sein Geld verleiht erhält hierfür einen Zins und erwartet, dass der Schuldner zu dem vereinbarten Zeitpunkt den geschuldeten Betrag zurückzahlt. Die Höhe des Zinses hängt im Wesentlichen ab von der Bonität des Schuldners und der vereinbarten Leihedauer bis zur Rückzahlung. Anleger schätzen vor allem die Berechenbarkeit: bleibt der Schuldner solvent, weiß der Anleger (Gläubiger) heute schon, wann und wie viel Zinsen er ausbezahlt bekommt und wann sein verliehenes Geld zurückgezahlt wird.
Rendite - Was bezeichnet die Rendite?
Die Rendite bezeichnet den Gesamterfolg (den Gewinn) einer Anlage bezogen auf das investierte Kapital und wird meist in Prozent angegeben. Die Rendite kann sich einerseits auf eine bestimmte Investition über alle zeitlichen Perioden beziehen (dann korrekter bezeichnet als die Rentabilität eines Investments). In der Regel bezeichnet die Rendite den Anlageerfolg in einem bestimmten Zeitraum, z.B. in einem Kalenderjahr. Dies ist allerdings nicht zwingend. Der Anlageerfolg wiederum ist die Summe aus zugeflossenen Mitteln wie Dividenden und Zinsen abzüglich des Aufwandes einerseits, und der Veränderung des Wertes der Investition, z.B. Kursgewinne bzw. Kursverluste, andererseits.
Um unterschiedliche Anlagen mit unterschiedlich langen Anlagezeiträumen vergleichen zu können, wird in der Regel die Rendite für einen definierten Zeitraum berechnet, z.B. bezogen auf 12 Monate bzw. ein Kalenderjahr. Allerdings gibt es unterschiedliche Methoden, diese Rendite zu ermitteln.
Durchschnittliche Rendite vs. annualisierte Rendite vs. Rentabilität
Um unterschiedliche Anlagen mit unterschiedlich langen Anlagezeiträumen vergleichen zu können, wird in der Regel die Rendite für einen definierten Zeitraum berechnet, z.B. bezogen auf 12 Monate bzw. ein Kalenderjahr. Allerdings gibt es unterschiedliche Methoden, diese Rendite zu ermitteln.
- Ein Beispiel -
Eine Anlage erzielt folgende Rendite: im 1. Jahr 80%, im 2. Jahr -40% und im 3. Jahr 20%.
Die durchschnittliche Rendite bezeichnet das arithmetische Mittel aller einzelnen Renditen. Im Beispiel wäre die durchschnittliche Rendite 20% (nämlich (80-40+20)/3=20).
Ein Anlagebetrag von € 1000.- würde in diesem Beispiel bis zum Ende der drei Jahre zu einer Summe von € 1296 anwachsen (nämlich € 1000 * 1,80 * 0,60 * 1,20). In den drei Jahren wurde somit eine Gesamtrendite (kumulierte Rendite) von 29,6% erzielt (=1296-1000/1000), oft auch als Wertentwicklung oder ‚Performance’ bezeichnet, selten korrekt bezeichnet als Rentabilität.
Die annualisierte Rendite, berechnet als geometrisches Mittel, gibt an, welcher identische mittlere Zins in allen drei Perioden erzielt werden muss, um aus dem Startbetrag (hier: € 1000) den Endbetrag (hier: € 1296) werden zu lassen. Im Beispiel führt eine Rendite von 9,0% in jedem der drei Jahre zum Endbetrag von € 1296. Die annualisierte Rendite ist immer geringer, als die durchschnittliche Rendite.
Durchschnittliche Rendite berechnen mit Excel
Mit den heutigen Tabellenkalkulationsprogrammen wie beispielsweise Excel ist die Berechnung recht einfach. Ausgehend von einer Zahlenreihe der einzelnen Periodenrenditen gibt man gibt in eine Zelle ein: =Mittelwert(Zahl 1; Zahl 2; …). Bei längeren Zahlenreihen: =Mittelwert(Zahl 1:Zahl n)
Annualisierte Rendite berechnen mit Excel
Mit den heutigen Tabellenkalkulationsprogrammen ist die Berechnung recht einfach. Ausgehend von einer Zahlenreihe der einzelnen Periodenrenditen gibt man gibt in eine Zelle ein:
=Geomittel(Zahl 1; Zahl 2; …). Bei längeren Zahlenreihen: =Geomittel(Zahl 1:Zahl n)
Renditen müssen dabei jeweils als positive Zahl in die Formel eingehen, z.B. indem man jeweils die Zahl 1 addiert. So wird aus -40% Rendite der Wert 0,6, aus 80% Rendite der Wert 1,80.
Um das Ergebnis als Prozentwert zu sehen, ist dieser Schritt wieder rückgängig zu machen: =(Geomittel(Zahl 1: Zahl n)-1)*100
Liegen Anfang und Endsumme nach n Perioden vor, so errechnet sich die annualisierte Rendite als
=(n-te Wurzel aus Endsumme/Anfangssumme)-1.
Tipp
Die annualisierte Rendite ist für jeden Anleger die entscheidende Rendite. Die annualisierte Rendite (geometrisches Mittel) gibt an, welche Rendite im Mittel über alle Jahre erzielt werden muss, um Ihr Anlageziel zu erreichen. Die annualisierte Rendite bringt Sie ans Ziel, nicht die durchschnittliche Rendite.
Wenn in Prospekten oder in Medien von ‚durchschnittlicher Rendite’ die Rede ist, wissen Sie nun, dass entweder schlampig gearbeitet wird (weil eine annualisierte Rendite fälschlicher Weise als durchschnittliche Rendite bezeichnet wird), oder Ihnen die höhere, die arithmetische Rendite, ‚verkauft’ wird.
Wenn schlicht von Rendite, Wertentwicklung oder Performance gesprochen wird, gehen Sie im Zweifel davon aus, dass die Rentabilität gemeint ist, also die kumulierte Rendite über den gesamten Zeitraum. Über die Kennzahl Rentabilität können selbst mäßige Anlagen glänzen – man muss den Zeitraum nur hinreichend lang wählen.
Standardabweichung analysieren – Standardabweichung verstehen
Die Standardabweichung beschreibt, welchen Wertschwankungen die Entwicklung einer Anlage unterliegt. Die Standardabweichung ist ein statistisches Maß um die Streuung einer Zufallsvariablen um ihren Mittelwert zu beschreiben. Wenn die langjährige durchschnittliche Rendite einer Anlage beispielsweise 7% beträgt, wissen wir noch nicht, wie stark die Renditen in den einzelnen Perioden von diesem Mittelwert abweichen. Die Standardabweichung misst nun die mittlere Abweichung der einzelnen Periodenrenditen von deren Mittelwert. Beträgt die Standardabweichung beispielsweise 22%, dann weichen die Renditen aller Perioden im Mittel um 22 Prozentpunkte vom langfristigen Mittelwert ab. Die Schwankungen von Renditen und Kursen werden auch als Volatilität bezeichnet, mathematisch als Standardabweichung berechnet. Die Volatilität wird als Risikomaß verstanden.
Standardabweichung bei Normalverteilung
Richtig anschaulich wird es, wenn wir von einer Normalverteilung der einzelnen Renditen (siehe die Gauß’sche Glockenkurve) rund um den statistischen Mittelwert ausgehen. Nach der sogenannten Zwei-Drittel-Regel liegt die tatsächliche Rendite einer Anlage mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 2/3 (genau 68,3%) zwischen dem Mittelwert abzüglich einer Standardabweichung und dem Mittelwert zuzüglich einer Standardabweichung. Vergrößert man das Intervall auf zweimal die Standardabweichung zu beiden Seiten des Mittelwertes, so liegen die erwartbaren Renditen mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% innerhalb dieses größeren Intervalls. In einem Korridor von drei Standardabweichungen um den Mittelwert liegen sogar 99% aller zu erwartenden Renditen.
Die Standardabweichung zeigt: Krisen sind ein ganz ‚normales’ Ereignis
Verdeutlichen wir uns an Hand der Werte der letzten 40 Jahre (siehe Tabelle oben), was für den Anleger konkret bedeutet. Da die Standardabweichung sich auf die Schwankungen der Bruttorenditen bezieht, bezieht man sich auch beim Mittelwert auf die Bruttorendite (hier: reale Rendite + 2,9% Inflation).
Bei Aktien Industrieländer sollten 68% der jährlichen Renditen zwischen +29% und -15% liegen (zwischen 7,1%+22% und 7,1%-22%). Umgekehrt heißt das, dass wir ca. jedes dritte Jahr mit einer Rendite außerhalb dieses Korridors rechnen müssen. Wir dürfen somit im Schnitt alle sechs Jahre auf eine Rendite von über 29% hoffen, müssen aber auch alle sechs Jahre mit einem Verlust von mehr als -15% rechnen.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% liegen die Jahresrenditen der Aktien Industrieländer zwischen +51% und -37% (7%+2x22% und 7%-2x22%). Das bedeutet, dass wir im Mittel alle 20 Jahre mit einer Rendite außerhalb des Intervalls rechnen müssen, also alle 40 Jahre mit einem Gewinn von >51% bzw. einem Verlust von mehr als -37%. Mit der Weltfinanzkrise 2008 (-38%) hatten wir in den letzten 40 Jahren genau ein Ereignis mit einer Rendite außerhalb des Intervalls. Statistisch gesehen also ein ganz ‚normales’ Ereignis.
Rohstoffe, Gold und Immobilien weisen ähnlich hohe Wertschwankungen auf.
Eine Anlage in Schwellenländer hat sich in den letzten 30 Jahren zwar mit vergleichsweise sagenhaften 14,4% pro Jahr rentiert, der Weg dahin war allerdings alles andere als eine ruhige Spazierfahrt: bei einer Standardabweichung von 40% muss man jedes 6. Jahr mit einem Verlust von mehr als -26% rechnen und alle 40 Jahre gar mit einem Verlust von mehr als -66%. Zuletzt haben wir einen Verlust von -53% (2008) gesehen, aber auch das beste Jahr mit +79% (2009). Wer aber im Jahr 2008 ‚die Nerven verloren hat’ und seine Anlage in Schwellenländer verkaufte, dürfte auch das beste Jahr 2009 verpasst haben, – und damit auch kaum die langjährige Durchschnittsrendite der Kategorie eingefahren haben.
Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, warum jeder Anleger die Bedeutung der Standardabweichung verinnerlichen sollte. Kursschwankungen sind nun wahrhaft kein Phänomen des letzten Jahrzehntes, wenngleich die letzten 10 Jahre gleich zwei ausgeprägte Bärenmärkte gesehen haben. Krisen gab es immer und wird es auch in Zukunft immer wieder geben.
Darum sollte man prüfen, wie viel ‚negative Standardabweichung’ man gelassen ertragen kann, ohne in Aktionismus zu verfallen und von seinem langfristigen Finanzplan und seiner Portfolio-Strategie abzuweichen. Denn wer in der Krise von seiner Strategie abweicht und entnervt verkauft, hat das schlechteste aller möglichen Ergebnisse eingefahren.
Standardabweichung berechnen mit Excel
Auch die Standardabweichung können Sie dank Tabellenkalkulationsprogrammen wie Excel recht einfach selber berechnen:
=Stabw(Zahl 1:Zahl n),
wobei zahl1 den ersten Wert der Zahlenreihe und Zahl n den letzten Wert einer Zahlenreihe bezeichnen.
Standardabweichungen vergleichbar machen
Um eine aussagekräftige Zahl zu erhalten, sollten die Renditen von mindestens 5-10 Jahren vorliegen. Standardabweichungen, die nicht auf Basis von Jahresrenditen ermittelt wurden, sind nicht vergleichbar: Standardabweichungen auf Basis von Quartalsdaten sind mit 2 zu multiplizieren, bei Monatsdaten mit 3,5, bei Daten auf Basis von täglichen Kursen mit 16, um auf einen vergleichbaren Jahreswert zu kommen.
Tipp:
Die Standardabweichung kann ein ‚Gefühl’ für die zu erwartenden Wertschwankungen einer Anlage, auch Volatilität genannt, geben. Da eine unstetige Wertentwicklung und insbesondere Wertminderungen als Risiko empfunden werden, ist die Standardabweichung eine ganz wesentliche Eigenschaft einer Anlage. Jeder Anlageberater und Fondsmanager sollte Sie über die Standardabweichung seiner Anlagen informieren. Wenn er dies nicht freiwillig macht, fragen Sie ihn danach. Doch Vorsicht: achten Sie auf die Vergleichbarkeit der Zahlen.
Die Volatilität – wirklich das größte Risiko?
Natürlich sind die Wertschwankungen der Anlagen nicht das einzige, was wir als Risiko empfinden, vielleicht noch nicht einmal das wichtigste Risiko. Was wir als riskant empfinden, ist etwas sehr persönliches. Mancher hat Angst vor Haien und findet es gefährlich, im offenen Meer zu baden - obwohl es weltweit jährlich nur ca. 10 tödliche Unfälle mit Haien gibt, aber mehr als 3000 Menschen alleine in Deutschland im Straßenverkehr getötet werden. Dass einem ‚das Geld ausgeht’, dass die Rücklagen nicht für den ganzen Lebensabend ausreichen könnten, dieses Risiko dürfte deutlich schwerer wiegen als (schmerzliche aber wohl vorübergehende) Wertschwankungen der Anlage. Sie werden im Kapitel ‚Über Risiko’ noch ausführlich Gelegenheit haben, unterschiedliche Risiken zu betrachten und Ihre eigene Risikowahrnehmung zu überprüfen.
Aus dem Modell zur Portfolio-Optimierung nach Markowitz haben wir nach der Rendite nun den zweiten Faktor, die Standardabweichung, kennen gelernt. Verschiedene Anlagen zeichnen sich durch eine typische Kombination von Rendite und Risiko, sprich Volatilität, aus. Ein intelligent zusammengestelltes Portfolio ist aber mehr als die Summe seiner einzelnen Anlagen. Dies ist bedingt durch den dritten Faktor der Portfolio-Optimierung nach Markowitz, der Korrelation, die wir im folgenden Abschnitt betrachten.
Korrelationen analysieren – Korrelationen verstehen
Der Korrelationskoeffizient beschreibt mathematisch, wie stark der Zusammenhang zwischen der Entwicklung zweier Variablen ist. Sein Wert liegt zwischen -1 und +1. Liegt er bei -1 bedeutet dies, dass sich die eine Variable immer genau entgegengesetzt zu der anderen verhält: steigt A, sinkt B – und umgekehrt. Ein Wert von +1 bedeutet, dass sich A und B immer genau gleichgerichtet verhalten: steigt A, steigt auch B – und umgekehrt. Ist der Wert 0, entwickeln sich A und B völlig unabhängig voneinander.
Kausale Korrelationen gelten als besonders stabil
Beobachte Korrelationen zwischen zwei Anlageklassen gelten dann als besonders stabil, wenn es einen Wirkzusammenhang gibt. Korrelationen, die ohne Wirkzusammenhang beobachtet werden, könnten rein zufällig sein und sich in Zukunft ganz anders verhalten. Die Forderung nach einer kausalen Korrelation setzt der Zahl der nutzbaren Anlageklassen eine natürliche Grenze.
Konjunkturelle Zyklen führen beispielsweise dazu, dass Unternehmen der gleichen Branche oder derselben Region fast im Gleichtakt boomen bzw. im Abschwung an Wert verlieren (positive Korrelation). Boomt die Wirtschaft weltweit, so steigt auch die Nachfrage nach industriellen Rohstoffen und lässt deren Preis steigen (und umgekehrt). Wirtschaftliche Zusammenhänge können aber auch zu genau entgegen gesetzten Kursverläufen führen (negative Korrelation): erhöhen die Zentralbanken im Boom die Leitzinsen um Inflationstendenzen entgegenzuwirken, so wird ‚Geld’ insgesamt teurer: höhere Kreditzinsen belasten Unternehmen; gleichzeitig zahlen Anleihen höhere Zinsen. Im Vergleich zu Aktien werden Anleihen attraktiver. Steigende Anleihezinsen führen somit tendenziell zu sinkenden Aktienkursen (und umgekehrt).
Bei stark segmentierten Anlageklassen ist ein Wirkzusammenhang oft nicht mehr erkennbar. Wie auch immer der Transportsektor in Südamerika mit dem Gesundheitssektor in Israel korreliert (um ein Beispiel frei zu erfinden) – die gemessene Korrelation dürfte kaum durch eine Wirkbeziehung begründbar sein und dürfte somit keine verlässliche Größe für die Zukunft sein.
Korrelationen – Veränderungen im Zeitablauf
Die Globalisierung hat dazu geführt, dass die Wirtschaft der einzelnen Länder und Regionen zunehmend miteinander verflochten sind. In den letzten Jahrzehnten hat die Korrelation der Regionen tendenziell zugenommen. Dagegen ist die Korrelation von Unternehmen mit der Region tendenziell gesunken. In einer globalisierten Welt scheint es für die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens entscheidender zu sein, zu welcher Branche es gehört, als zu welcher Region. Wenn Luxus-Autos gefragt sind, dann erleben Daimler, BMW, VW/Audi einen Boom, auch wenn es der gesamten deutschen Wirtschaft vielleicht nur durchschnittlich gehen sollte.
Korrelationen versagen (leider) genau dann, wenn man sie am meisten braucht – wenigstens ein Stück weit (vgl. Longin/ Solnik (2001), Goetzmann (2005)). Korrelationen funktionieren meist zuverlässig entlang eines ‚normalen’ Wirtschaftszyklus. In ausgewachsenen Krisen aber, wie beispielsweise der Weltwirtschaftskrise 2008/09, kann die Verunsicherung der Anleger so groß werden, dass nahezu alle Anlagenklassen gleichermaßen betroffen sind. Plötzlich werden alle Anlagen gleichermaßen abgestoßen – und auch gleichermaßen wieder zugekauft, sobald die Märkte das Schlimmste scheinbar hinter sich haben. In solchen Marktphasen kann die Korrelation zwischen Anlageklassen stark zunehmen. Trotzdem ist dies natürlich kein Grund, auf die Wirkung der Korrelationen bei der Geldanlage zu verzichten.
Wirkung der Korrelation auf diversifizierte Portfolios
Korrelation und Standardabweichung
Die Standardabweichung eines Portfolios ist abhängig von der Korrelation der einzelnen Anlagen untereinander. Kombiniert man Anlagen, die nicht vollständig positiv korreliert sind (Korrelation < 1), so ergibt sich ein Diversifikationseffekt. Mathematisch gesprochen wird das Risiko, also die Standardabweichung des Portfolios, sogar kleiner als der gewichtete Mittelwert der Standardabweichungen der einzelnen Anlagen. Für das Gesamtportfolio kann sogar eine Standardabweichung erreicht werden, die geringer ist als die Standardabweichung der sichersten Einzelanlage im Portfolio.
Korrelation und Rendite
Die Korrelation hat keinen Einfluss bei der Berechnung der erwartbaren Rendite eines Portfolios. Die erwartbare Rendite entspricht dem gewichteten Mittelwert der Renditen der einzelnen Anlagen. (vgl. Werber, S. 114ff). Unabhängig davon ist allerdings der Effekt des Rebalancings, der sich bei einer Betrachtung über mehrere Perioden ergibt.
Die Portfoliotheorie zieht aus der Korrelation den entscheidenden Vorteil für die Optimierung eines Portfolios. Die Berücksichtigung von Korrelationen macht aus einem beliebigen Portfolio ein effizientes Portfolio.
Ein Portfolio wird umso besser, je mehr Anlageklassen miteinander kombiniert werden, die nicht vollständig miteinander korrelieren. Korrelationen, die durch einen Wirkzusammenhang begründet sind, gelten als besonders stabil. Günstige Korrelationen mit kausaler Beziehung gibt es gar nicht so viele: eine überschaubare Zahl ‚klassischer’ Haupt-Anlageklassen.
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Literaturhinweise
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Goetzmann, W. N., Li, L., Rouwenhorst, K. G., 2005, ‘Long-Term Global Market Correlations’, Journal of Business, 78, 1-38.
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Siegel, L. B., 1997, Are Stocks Risky? Two Lessons, The Journal of Portfolio Management, Spring 1997, 29-34.
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Weber, M., 2007, ‚Genial einfach investieren’, Campus Verlag.