Rendite steigern - Anomalien nutzen
Erfolgsstrategien für private Selbstanleger
Zusätzliche Rendite ist immer auch mit zusätzlichem Risiko verbunden (siehe Kapitel Portfoliotheorie nach H. Markowitz). Bisher haben wir Anlageklassen betrachtet und gesehen, dass eine zusätzliche Rendite immer mit einer höheren Schwankungsbreite (Volatilität) zukünftiger Renditen einhergeht (siehe Kapitel Anlageklassen und deren Charakter). Doch die Volatilität ist nicht das einzige Risiko, welches der Markt bereit ist mit zusätzlicher Rendite zu honorieren. Wer in kleine Firmen (sogenannte Nebenwerte, auch Small Caps) und / oder ‚billig’ bewertete Unternehmen (sogenannte Substanzwerte, auch Value-Stocks genannt) investiert, kann mittelfristig den Markt schlagen – bei nahezu identischem Risiko hinsichtlich Renditeschwankungen.
Das 3 – Faktorenmodell nach Fama / French (FF)
Die beiden US Professoren Eugene Fama (Chicago) und Kenneth French (Yale) haben 1990 eine bahnbrechende Studie vorgestellt in der sie zeigen, dass es 3 Faktoren bzw. 3 Risiken gibt, die die Rendite eines jeden Portfolios erklären können:
- Der Markt, in den investiert wird, genauer gesagt das Risiko-/Rendite-Premium der jeweiligen Anlageklasse. Ein Beipsiel: die Rendite des Aktienmarktes minus der Rendite einer sicheren Anlage beschreibt das Renditepremium von Aktien.
- Den Größen-Effekt (Small-Cap Premium): die Rendite kleiner Unternehmen minus der Rendite großer Unternehmen.
- Den Value-Effekt (Value-Premium): die Rendite niedrig bewerteter Unternehmen minus der Rendite hoch bewerteter Unternehmen.
Bei einem reinen Aktienportfolio heißt das, dass die Rendite (und das Risiko) eines Aktien-Korbes dadurch erklärt werden kann, wie sehr das Portfolio den Faktoren ‚Größe’ und ‚Value’ aussetzt wird. Sollte eine Rendite beobachtet werden, die von den oben genannten Faktoren abweicht, so deutet dies auf die Fähigkeit (bzw. Unfähigkeit) eines aktiven Managers hin. Er hat wohl bei identischem strukturellen Risiko die besseren (schlechteren) Einzeltitel zur richtigen (falschen) Zeit gekauft bzw. verkauft.
Das 3-Faktoren-Modell besagt aber auch:
Jeder kann den Markt (-durchschnitt) schlagen, indem er sein Aktien-Portfolio mehr auf kleinere Unternehmen und auf ‚Value’- Aktien ausrichtet.
Das 3 - Faktoren Modell – sein Nutzen
Das 3 Faktoren-Modell ist heute weitestgehend anerkannt und hat sich als ein mächtiges Instrument erwiesen, um
- zukünftige (Über-) Renditen abzuschätzen, die aus der Ausrichtung auf jene Faktoren entstehen,
- den Erfolg aktiver Manager zu messen (denn aktive Manager sollten ihren Erfolg alleine durch eine geschickte Auswahl einzelner Wertpapiere erzielen und nicht, indem sie zusätzliche Risiken eingehen.)
- Musterportfolios zu analysieren und den Effekt zusätzlicher Anlageklassen abzuschätzen.
So hat beispielsweise die Analyse-Firma Morningstar in Anlehnung an dieses Modell ihre bekannte Aktien Style-Box aufgebaut, klassifiziert und bewertet so Fonds risikoadjustiert in einer 3x3 Matrix: um den Size-Effekt zu berücksichtigen (large, average, small) und um den Value-Effekt zu berücksichtigen (value, blend, growth).
Das 3 - Faktoren Modell – seine Entstehung
Fama / French haben in diversen Studie fundamentale Kennzahlen daraufhin untersucht, ob es irgendeinen Zusammenhang zur zukünftigen Rendite der Aktien gibt. Zu diesen Kennzahlen gehörten: die Unternehmensgröße (als Marktkapitalisierung), der Verschuldungsgrad, das Kurs/ Gewinn-Verhältnis je Aktie, das Verhältnis von Kurs zu Cash Flow, und das Verhältnis von Kurs zu Buchwert je Aktie (FF nahmen den inversen Wert (Buchwert zu Kurs) und nannten ihn ‚book-to-market’ (BtM)). Für jede Kennzahl listeten sie die Aktien in einer Rangreihe. Anschließend verglichen sie die Entwicklung der obersten 10% der Liste mit der Entwicklung der untersten 10% der Liste.
Die beiden Variablen ‚Unternehmensgröße’ und ‚Buchwert/Kurs’ schienen dabei den besten Erklärungswert zu haben. Mit diesen beiden Variablen ließen sich nahezu alle Unterschiede in der Performance von Aktienportfolios erklären. Auch wenn andere Kennzahlen herangezogen werden, um den Markt zu segmentieren, über 90% der beobachteten Performance kann durch die Variablen ‚Unternehmensgröße’ und ‚Buchwert/Kurs’ (Book-to-Market) erklärt werden.
Empirische Ergebnisse
Der Value- und Size- Effekt ist in zahlreiche Studien für unterschiedliche Perioden und in diversen Ländern bestätigt worden (vgl. FF (92), FF (93), FF (96), Davis/FF (2000)). Die Höhe der Überrenditen ist zwar jedes mal unterschiedlich, doch es zeigt sich ein nahezu identisches Muster:
Der Value Effekt ist stärker ausgeprägt als der Size Effekt. Der Size-Effekt ist besonders stark ausgeprägt bei kleinen Unternehmen, weniger stark bei mittelgroßen Unternehmen (Banz (1981)). Vergleicht man den Value-/ Growth Effekt innerhalb jeder Größenklasse, so zeigt sich, dass der Value - Effekt bei Small Caps am stärksten ausgeprägt ist, aber auch bei Large - Caps noch anzutreffen ist.
Zusammengefasst ergibt sich in etwa folgende Verteilung der mittelfristigen Renditen gegenüber dem Marktdurchschnitt:
Value | Blend | Growth | |
---|---|---|---|
Large | + | - | - - |
Blend | + + | 0 | - |
Small | + + + | + + | + |
Quelle: eigene Darstellung |
Die Quelle der Extra-Renditen
Die drei Faktoren stehen für Renditequellen, die voneinander unabhängig sind, - und so auch unterschiedliche Risken vergüten. Der erste Faktor, das Marktrisiko, ist, wie im Kapitel Charakter der Anlageklassen gesehen, eng mit den Schwankungen der zukünftigen Renditen verbunden (gemessen als Standardabweichung). Da sich die beiden anderen Faktoren nicht in einer deutlich abweichenden Standardabweichung ausdrücken, wird kontrovers diskutiert, ob es sich bei den Extra-Renditen nicht um einen ‚free lunch’ handelt: um Renditen ohne zusätzliches Risiko. Da es dies der Theorie nach eigentlich nicht geben dürfte, schon gar nicht über einen so langen Zeitraum und in so vielen Märkten, werden diese Phänomene auch als Anomalien bezeichnet. In einem einigermaßen effizienten Markt müssten Anleger einen ‚free lunch’ schnell erkennen und durch Käufe / Verkäufe beseitigen.
Doch der Small-Cap und Value Effekt sind wohl kein ‚free lunch’: wie wir weiter unten sehen werden, stellen sich die obigen Segmentrenditen erst langfristig ein; kurzfristig kann sich die Matrix auch umkehren, sogar über mehrere Jahre: dann erzielen große, ‚teure’ Unternehmen plötzlich Überrenditen.
Fama / French erklären lediglich die Performance von Portfolios mit den 3 Faktoren; das Modell sagt nicht, dass die Dimensionen ‚Small’ und ‚Value’ jederzeit Überrenditen liefern.
Anleger sollten bewusst entscheiden, ob sie ihr Portfolio neben dem Marktrisiko des Aktienmarktes, auch den ‚Style’- Faktoren aussetzen wollen und sich dann einen geeigneten Index suchen (siehe Kapitel ‚Index wählen’).
Wer langfristig orientiert ist und sein Portfolio über mehrere Anlageklassen diversifiziert, für den kann es sich lohnen, in Nebenwerte und Substanzwerte zu diversifizieren. Da aber nicht vorhersehbar ist, wann die Risiko-Prämien auftauchen und diese auch mehrer Jahre ganz ausbleiben können, wird nur derjenige die ‚Style’-Prämien tatsächlich einfahren, der viele Jahre stur an seiner Depotstruktur festhält.
Selbst derjenige, der seine Vermögensanlage keinem ‚Style’-Faktor aussetzen möchte, sollte darauf achten, dass er dies nicht unbeabsichtigt tut:
- Aktive Manager investieren nur selten ‚marktneutral’; die meisten jagen Gelegenheiten hinterher und achten nicht einmal darauf, ob sie ihre Sammlung an Wertpapieren einem bestimmten ‚Style’ aussetzen. Zudem kann ein Fonds seinen ‚Style’ mit der Zeit verändern; der Manager ist in seiner Titelselektion weitestgehend frei.
- Wer passiv anlegt, sollte darauf achten, dass der auserkorene Index auch tatsächlich ‚marktneutral’ definiert ist. Die meisten bekannten Leitindizes wie Dax, Nikkei oder S&P 500 sind Large-Cap- und Growth- lastig (wie wir im Kapitel Index wählen noch sehen werden).
Betrachten wir also etwas genauer, wie man vom ‚Small Cap’- und ‚Value’- Effekt profitieren kann.
Die Erfolgsstrategien im Einzelnen:
Der Value Effekt -
mit Substanztiteln eine überdurchschnittliche Rendite einfahren.
Der Small-Cap Effekt -
mit kleinen Unternehmen erfolgreicher anlegen.
Die Dividendenstrategie -
nicht schlecht, aber aus ganz anderen Gründen.
Oder gleich weiter zum nächsten Kapitel:
Steuern sind auch Kosten. Steuern optimieren und das Anlageziel früher erreichen.
Literaturhinweise
Basu, S., 1977, Investment Performance of Common Stocks in Relation to Their Price-Earnings Ratio, Journal of Finance 32, S. 663-682.
Basu, S., 1983, The Relationship between Earnings’ Yield, Market Value and Return for NYSE Common Stocks, Journal of Financial Economics 12, S. 129-156.
Chan, L., 1988, On the Contrarian Investment Strategy, Journal of Business 61, S. 147-164.
Chan, L., Hamao, Y., Lakonishok, J., 1993, Can Fundamentals Predict Japanes Stock Returns?, Fincancial Analysts Journal 49, 4, S. 63-69.
Chan, L., Jegadeesh, N., Lakonishok, J., 1995, Evaluating the Performance of Value versus Glamour Stocks – the Impact of Selection Bias, Journal of Financial Economics 38, S. 269-296.
Chan, L. K. C., Lakonishok, J., 2002, Value and Growth Investing : A Review and Update, O.i.I., http://www.lsvasset.com/pdf/Value-Review.pdf.
Davis, J., 1994, The Cross-Section of Realized Stock Returns: The Pre-COMPUSTAT Evidence, Journal of Finance 49, 5, S. 1579-1593.
Davis, J., Fama, E., French, E., 2000, Characteristics, Covariances, and Average Returns: 1929-1997, The Journal of Finance, Feb., Vol. 55, Issue 1.
Fama, E., French, K., 1992, The Cross-Section of Expected Stock Returns, Journal of Finance 47, 2, S. 427-465.
Fama, E., French, K., 1995, Size and Book-to-Market Factors in Earnings and Returns, Journal of Finance 50, 1, S. 131-155.
Fama, E., French, K., 1998, Value versus Growth: The International Evidence, Journal of Finance 53, S. 1975-1999.
Fama, Eugene F. Jr., 1998, Asset Management: Engineering Portfolios for Better Returns, PTC Publishing.
La Porta, R., 1996, Expectations and the Cross-Section of Stock Returns, Journal of Finance 51, S. 1715-1742.
La Porta, R., Lakonishok, J., Shleifer, A., Vishny, R. W., 1997, Good News for Value Stocks: Further Evidence on Market Efficiency, Journal of Finance 52, S. 859-874.
Lakonishok, J., Shleifer, A., Vishny, R. W., 1992, The Structure and Performance of the Money Management Industry, Brookings Papers on Economic Activity: Microeconomics 23, S. 339-391.
Lakonishok, J., Shleifer, A., Vishny, R. W., 1994, Contrarian Investment, Extrapolation, and Risk, Journal of Finance 49, S. 1541-1578.
Rosenberg, B., Reid, K., Lanstein, R., 1985, Persuasive Evidence of Market Inefficiency, Journal of Portfolio Management, Spring Ed..