Intelligentes Indexing – Jetzt Reserven heben!
Ein Index soll möglichst genau die Entwicklung eines Marktes oder Marktsegmentes abbilden. Indizes sind damit ein hervorragendes Instrument um Geld marktbreit, ohne Wetten, d.h. ohne Spekulation auf einzelne Titel, und kostengünstig anzulegen. Jedoch kann die Regel, nach welcher die einzelnen Titel in einem Index gewichtet werden, die Performance erheblich beeinflussen. Ein intelligentes Indexing kann diese Rendite-Reserven in Ihrem Depot - wenigstens teilweise - heben.
Indizes – Gewichtet nach Marktkapitalisierung, gleichgewichtet oder fundamental?
Die Gewichtung in Indizes
Egal um welche Anlageklasse es geht, in einem Index werden fast immer einzelne Titel zu Sektoren, Sektoren zu Ländern, Länder zu Regionen, und Regionen ggf. zum Welt-Index zusammengefasst. Jedes mal stellt sich die Frage, nach der ‚optimalen’ Gewichtung. Diese Frage stellt sich zunächst dem Indexanbieter (‚Welches Gewicht soll die Aktie der Deutschen Telekom im Dax-Index haben?’). Diese Frage stellt sich aber auch dem Anleger, da er einerseits zwischen Indizes unterschiedlicher Gewichtungsmethoden auswählen kann, andererseits auch selber die Gewichtung vornehmen kann (‚Wie hoch soll Nordamerika im Vergleich zu Europa oder Asien in meinem Depot gewichtet sein?’).
Indizes können gewichtet sein nach Marktkapitalisierung, können gleichgewichtet sein oder nach fundamentalen Kriterien gewichtet sein.
Nur der Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass es auch preisgewichtete Indizes gibt. In einem preisgewichteten Index wird das Gewicht jedes Bestandteils schlicht durch die Höhe des Preises bestimmt. In der einfachsten Form addiert man die Preise aller Bestandteile. Ein Index, der sich sehr einfach – auch ohne Computer - berechnen lässt. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass der älteste Index, der Dow Jones Industrial Average, bekannt als der Dow Jones, ein Preis-Index ist. Ein Preisindex hat den Nachteil, dass der Index immer um 1 Punkt steigt, egal ob eine Aktie von 10.- auf 11.- steigt (+10% Veränderung) oder eine Aktien von 100.- auf 101.- steigt (+1% Veränderung) – und vize versa. Preisgewichtete Indizes haben im Vermögensmanagement nur geringe Bedeutung.
Indizes gewichtet nach Marktkapitalisierung - Market Cap Indizes
Die meisten Indizes sind heute nach Marktkapitalisierung gewichtet, d.h. jedes Element ist anteilig seines Marktwertes repräsentiert: bei Aktien nach dem Börsenwert des Unternehmens (berechnet als Kurs mal Anzahl der Aktien), bei Anleihen mit dem Wert der begebenen Schulden (Summe des Wertes aller Schulden eines Emittenten). Mit der täglichen Änderung des Preises (Kurs) jedes Bestandteils ändert sich automatisch das Gewicht im Index.
Vorteile marktkapitalisierter Indizes
- Ein Vorteil der marktkapitalisierten Gewichtung ist, dass jeder, der einen Index nachbilden möchte, jederzeit ausreichend Wertpapiere am Markt finden wird. So ist auch zu erklären, dass bei der Gewichtung oft nicht alle Aktien eines Unternehmens (full weighting) berücksichtigt werden, sondern nur die Aktien, die tatsächlich an der Börse handelbar sind (sogenannter free-float). Aktien, die sich beispielsweise in Staatsbesitz befinden oder als Pakete von strategischen Investoren gehalten werden, werden beim free-float nicht berücksichtigt.
- Da die Preise in effizienten Märkten stets korrekt die Erwartungen aller Marktteilnehmer widerspiegeln, gehen die Befürworter des Prinzips der Marktkapitalisierung davon aus, das die Marktkapitalisierung die Realität des Marktes am Besten abbildet.
Nachteile marktkapitalisierter Indizes
- Haugen/ Baker argumentieren, dass eine Gewichtung nach Marktkapitalisierung immer ineffizient ist und die Realität nur unter bestimmten (unrealistischen) Annahmen abbildet, selbst dann, wenn man effiziente Märkte unterstellt (vgl. Haugen/Baker, 1991).
- Aktienindizes gewichtet nach Marktkapitalisierung sind von der Performance großer Unternehmen besonders beeinflusst. Solche Indizes funktionieren deshalb besonders gut in Marktphasen, in denen große Unternehmen bessere Renditen erzielen, als kleinere Unternehmen. Kleinere Unternehmen erzielen aber mittelfristig eine höhere Rendite (Small Cap Effekt).
- In Aktien-Indizes nach Marktkapitalisierung sind teure, überbewertete Unternehmen tendenziell übergewichtet. Dies beginnt schon damit, dass ein gestiegener Unternehmenswert eine Voraussetzung dafür ist, überhaupt in den Index aufgenommen zu werden. Um in den Dax zu kommen, muss man eben zu den 30 wertvollsten Unternehmen Deutschlands gehören. Steigt der Kurs (weiter), nimmt das Gewicht im Index zu. Es sind somit tendenziell solche Titel übergewichtet, die gerade in der Gunst der Anleger stehen (und damit eher teuer sind). Dies ist solange kein Problem bzw. sogar von Vorteil, solange der Trend anhält. Bekanntlich erzielen aber Value-Aktien, d.h. günstig bewertete Substanz-Werte, mittelfristig eine höhere Rendite. So hat beispielsweise das Gewicht der Technologie-Aktien im S&P 500 Index zwischen 1995 und 2000 von 11% auf über 34% zugenommen, was dem Index herbe Verluste bescherte, als die Internet-Blase platzte.
- Werden Länder zu Regionen und Regionen zu einem Welt-Index aggregiert, so entscheidet der Wert aller börsengelisteter Unternehmen über das Gewicht des Landes/der Region. Hat ein Land einen prominenten Börsenplatz, ist das Land entsprechend hoch gewichtet. Schwellenländer, mit noch relativ jungen Börsenmärkten, sowie Volkswirtschaften mit einem hohen Anteil an Familienunternehmen oder Unternehmen in Staatsbesitz, sind eher unterrepräsentiert. Beispielsweise haben sich zahlreiche große Unternehmen aus dem Common Wealth für London als ‚Heimat’- Börse entschieden. So tragen beispielsweise auch australische und südafrikanische Bergbaukonzene dazu bei, dass das Gewicht von UK in einem Weltindex mehr als doppelt so hoch ist, als das von Deutschland. Die USA sind in einem Welt-Aktienindex nach Marktkapitalisierung mehr als zwanzigmal so schwer gewichtet, wie China.
- In einem Anleihe-Index ist derjenige Emittent am höchsten gewichtet, dessen Schulden den höchsten Marktwert besitzen. Das führt beispielsweise dazu, dass in einem globalen Index für Staatsanleihen amerikanische und japanische Papiere mit jeweils rund 28 Prozent das höchste Gewicht besitzen, weil diese Staaten die mit Abstand größten Schuldenberge angehäuft haben.
Dass Anbieter von Indizes es theoretisch jedem Anleger ermöglichen wollen, den Index auch tatsächlich nachzubilden, ist verständlich, aber eher ein anbieterorientiertes Motiv. Da wohl nie alle Anleger gleichzeitig danach streben werden, einen Index abzubilden, sollten auch alternative Gewichtungen umsetzbar sein. Diese sollten nach Prinzipien gewichten, die die Interessen des Anlegers reflektieren.
Investieren nach Marktkapitalisierung ist tendenziell pro-zyklisch. Wer Übertreibungen entgegenwirken will (d.h. Herdenverhalten entgegenwirken, bzw. von einer Contrarien-Strategie profitieren will), muss den Einfluss des Preises auf die Gewichtung ‚ausschalten’ bzw. korrigieren, im Ergebnis das Gewicht von kleinen und unterbewerteten Unternehmen im Depot erhöhen.
Die Methode der Gleichgewichtung in Indizes
Gleichgewichtete Indizes (engl. equal weight indexes) weisen jedem Bestandteil das gleiche Gewicht zu. So hat beispielsweise jedes Unternehmen in einem gleich gewichteten S&P 500 jeweils ein Gewicht von je 0,2%. In bestimmten Abständen stellt ein Rebalancing die Gewichtung von 0,2% wieder her.
Die gleich gewichteten Aktien-Indizes stärken den Einfluss kleiner Unternehmen und von unterbewerteten Unternehmen auf den Gesamtindex. Auch Länder werden in Regionen und Weltindizes gleich gewichtet. Das regelmäßige Rebalancing baut übertriebene Bewertungen einzelner Werte frühzeitig ab. Durch das erforderliche Rebalancing können Indexfonds auf gleichgewichtete Indizes im Vergleich zu marktkapitalisierten Indizes etwas höheren Transaktionskosten aufweisen. Dieser zusätzliche Aufwand dürfte weitestgehend entfallen, wenn der Index synthetisch abgebildet wird.
Die Performance der Gleichgewichtung in Indizes
Gleichgewichtete Indizes erzielen langfristig bessere Ergebnisse als die Marktkapitalisierung, meistens deutlich bessere Ergebnisse, wie zahlreiche Studien zeigen. Dieser Effekt ist im Grunde die logische Fortsetzung des Vorteils der Gleichgewichtung bei 'Slice & Dice' (wie wir im vorangegangenen Kapitel gezeigt haben) bis auf die Ebene des einzelnen Titels. Die langfristige Überrendite entsteht bei Aktien nicht nur daraus, dass kleinere und mittlere Unternehmen sowie Substanzwerte langfristig eine Überrendite erzielen. Plyakha (Plyakha, 2012) führen in ihrer Studie die Überrendite der Gleichgewichtung vor allem auf das Rebalancing zurück, und weniger auf die höhere Gewichtung bestimmter Anlagen: mit dem Rebalancing wird implizit eine Contrarien-Strategie umgesetzt. Das Rebalancing hat somit einen Wert für sich.
Im Umkehrschluss gilt, dass über kürzere Anlagehorizonte und wenn Märkte ‚Momentum’ haben, sprich, einen Trend aufweisen, marktkapitalisierte Indizes den Gleichgewichteten überlegen sein können.
Vorteile der Gleichgewichtung in Indizes
Die Gleichgewichtung beseitigt die Nachteile der Markkapitalisierung; kleine Unternehmen und Substanzwerte erhalten ein höheres Gewicht. Der Vorteil entsteht dann, wenn sich die Märkte zum langfristigen Mittelwert zurückentwickeln (bekannt als ‚mean reversion’). Dann zahlt sich aus, das Übertreibungen frühzeitig abgebaut wurden und Gewinne in zurückgebliebene Titel investiert wurden (Contrarien-Effekt).
Nachteile der Gleichgewichtung in Indizes
Nachteilig kann sich ein höherer Aufwand durch das erforderliche Rebalancing auswirken. Außerdem erfordert die Gleichgewichtung unter Umständen, größere Beträge in illiquidere Wertpapiere zu investieren.
Indizes nach Gleichgewichtung - leider nur selten als Fonds verfügbar
Obwohl viele Indexanbieter gleichgewichtete Indizes berechnen, ist das Angebot an ETFs auf gleichgewichtete Indizes derzeit (leider) äußerst eingeschränkt. Der Anleger wird daher meist darauf angewiesen sein, den Effekt der Gleichgewichtung im Depot nachzuahmen. Statt dem Investment in einen Welt-Index können beispielsweise die Sub-Regionen (Nordamerika, Asien, Europa, Emerging Markets) mit gleichem Gewicht ins Depot genommen werden. Dem Übergewicht großer und tendenziell teurer Unternehmen kann durch Investments in Small-Cap Indizes und Value Indizes entgegen gesteuert werden. Die Basis sind damit zwar immer noch marktkapitalisierte Indizes, aber zumindest teilweise sollte sich eine Überrendite aus Gleichgewichtung realisieren lassen.
Ob es im Bereich der Anleihen überhaupt Indizes gibt, die Schuldner 'gleichgewichtet' oder gar invers gewichtet (geringe Schulden = hohes Gewicht), ist uns nicht bekannt.
'Fundamental Indexing' - Gewichtung nach fundamentalen Kriterien
Beim Fundamental Indexing werden die Bestandteile des Index nach fundamentalen Kriterien gewichtet. Bei Aktien sind dies die bekannten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die auch sonst zur Bewertung von Unternehmen herangezogen werden, beispielsweise Buchwert, Umsatz, Gewinn, Cash-Flow, Dividende, Wachstum etc.. Diese können alleine oder in Kombination angewendet werden. Damit unterstellen fundamentale Indizes, dass wirtschaftliche Kennzahlen ein besserer Indikator für den Unternehmenswert sind, als der Börsenwert des Unternehmens. Der Kurs des Unternehmens wird ignoriert. Fundamentale Daten sollen das Gewicht bestimmen, nicht der Preis.
Historie fundamental gewichteter Indizes
Fundamentale, marktbreite Indizes, die auf die Korrektur der vermeintlichen Verzerrungen marktkapitalisierter Indizes zielen, sind noch recht neu. Prof. Robert Arnott, der den Begriff des ‚Fundamental Indexing’ prägte, stellte in 2005 gemeinsam mit seinem Unternehmen Research Affiliates und FTSE eine neue Index-Familie vor: die RAFI Indizes (Research Affiliates Fundamental Indexing). Die Höhe von Umsatz, Cash Flow, Dividendenzahlung und Buchwert bestimmen das Gewicht des Unternehmens im Index. Research Affiliates nennt als wesentlichen Vorteil, dass fundamentale Indizes Übertreibungen entgegenwirken, erkennbar an einer tendenziell günstigeren Bewertung (höhere Gewichtung von Substanzwerten) und einer geringeren Volatilität.
Die von RAFI angewendete Methode ist vom Ergebnis her sehr ähnlich der sogenannten Core-Equity Strategie, die annähernd zeitgleich von Dimensional Fund Advisors eingeführt wurde.
Unabhängig von der Vorgehensweise von RAFI oder der Core Equity Strategie zeigen Hemmiki/Puttonen (2008), dass vor allem eine Gewichtung von Aktien nach den fundamentalen Faktoren Buchwert und Dividende in der Vergangenheit zu deutlichen risikoadjustierten Überrenditen geführt hat.
Vorteile fundamental gewichteter Indizes
Im Vergleich zu marktkapitalisierten Indizes sollen fundamental gewichtete Indizes höhere Renditen aufweisen. Beide Ansätze, RAFI und Core-Equity, profitieren letztlich von einer höheren Gewichtung von kleinen Unternehmen und Substanzwerten. Die Professoren Eugene Fama und Kenneth French haben den Small-Cap und Value-Effekt allerdings bereits 1992 beschrieben (vgl. Rendite stärken - Anomalien nutzen, 3-Faktorenmodell Fama/French).
Nachteile fundamental gewichteter Indizes
- RAFI Indizes berechnen höhere Kosten. Zusätzlich ist ein Rebalancing erforderlich, welches mit Transaktionskosten verbunden ist.
- RAFI Indizes sind noch relativ neu. Ob sie über den Small-Cap-Effekt und den Value-Effekt hinaus noch einen eigenen Wertbeitrag haben,- der die höheren Kosten rechtfertigt -, ist derzeit noch umstritten (Andersson, 2009). Hsu (2011) argumentiert, dass der Effekt der fundamentalen Indizes auch durch Beimischen von Value- und Small-Cap Strategien im Portfolio erreicht werden kann, was Kostenvorteile haben kann.
- Der Übergang von ‚Fundamental Indexing’ zu aktiv gemanagten Indizes mit eingebauten ‚Wetten auf die Zukunft’ ist fließend. Welche fundamentalen Faktoren angewendet werden liegt letztlich in der Hand jedes Indexanbieters bzw. Fondsmanagers. Damit verschwimmt der Unterschied zu den zahlreichen aktiven Fondsmanagern, die ebenfalls versprechen, nach fundamentalen Kriterien die erfolgversprechendsten Wertpapiere zu filtern. Befürworter der marktkapitalisierten Indizes argumentieren entsprechend, dass die fundamentalen Indizes bereits ‚Wetten’ auf den Small-Cap und Value-Effekt darstellen, und dass die Marktkapitalisierung den ‚wahren’ Markt abbildet (weil der Preis jederzeit korrekt die Einschätzung und Erwartungen aller Marktteilnehmer spiegelt).
‚Fundamental Indexing’ im Depot
Egal ob man einer Tendenz marktkapitalisierter Aktien-Indizes entgegenwirken will oder schlicht die beiden Dimensionen der Aktienrendite (value-growth, small-large) abdecken möchte: durch diversifizieren der Aktienkomponente mit ETFs auf kleine Unternehmen und Substanzwerte sollte sich die Rendite des Depots auf Sicht steigern lassen. Nur wer die Komplexität im Depot eng begrenzen möchte, mag einen globalen RAFI Index in Betracht ziehen.
Gewichtung nach GDP (Gross Domestic Product)
In GDP-gewichteten Indizes richtet sich das Gewicht einzelner Länder nach ihrem Bruttoinlandprodukt (engl.: Gross Domestic Product, GDP) - und nicht nach dem Wert aller an der Börse des Landes notierten Unternehmen, wie dies bei Indizes auf Basis Marktkapitalisierung der Fall ist.
Ähnlich dem ‚fundamental indexing’ soll eine Orientierung an fundamentalen Kriterien, hier die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft, ein besseres Anlageergebnis erzielen.
Historie GDP- gewichteter Indizes
Indizes, deren Länder nach GDP gewichtet wurden, sind von den Index-Anbietern erstmals Ende der achtziger Jahre berechnet worden: Auf dem Höhepunkt der Japan-Blase, als japanische Unternehmen so teuer bewertet waren, dass sie 45% der Welt-Marktkapitalisierung ausmachten, fanden es Anleger zunehmend fragwürdig, ihre Investments nach dem Prinzip der Marktkapitalisierung über die Welt zu verteilen. MSCI Barra berechnet den ‘World Index’ (entwickelte Länder, d.h. ohne Schwellenländer) seit 1988 in einer GDP-gewichteten Variante. Seit 2005 werden auch der Schwellenländer-Index MSCI EM (Emerging Markets) und der Weltindex MSCI ACWI (All Country World Index, d.h. Entwickelte Länder und Schwellenländer zusammen) GDP-gewichtet berechnet.
Die Performance der GDP- Gewichtung
Der Indexanbieter MSCI errechnet für seinen ACWI (All Country World Index) für die GDP-gewichtete Variante eine langfristige, risikoadjustierte Überrendite von jährlich 2,6 Prozentpunkten (MSCI Barra, Internet Feb. 2010). Eine höhere Volatilität gegenüber der marktkapitalisierten Variante ist bei einer risikoadjustierten Rendite bereits berücksichtigt. Ähnlich führt eine GDP-Gewichtung im World Index zu einer Überrendite von jährlich 0,7 Prozentpunkten und im MSCI EM Index zu einer Überrendite von jährlich 4,5%.
Mögliche Gründe für die Überlegenheit einer GDP - Gewichtung in Indizes
Vom Ergebnis her führt die GDP- Gewichtung einerseits zu einer höheren Gewichtung aufstrebender Volkswirtschaften wie den Schwellenländern, zum anderen zu einer höheren Gewichtung von Ländern mit einem hohen Anteil an Unternehmen in privatem Besitz (Familienunternehmen) oder Staatsbesitz.
Die GDP - Gewichtung kann somit auch Leistungsbereiche erfassen, die eine Vorgehensweise nach Marktkapitalisierung ignoriert. MSCI Barra interpretiert das Verhältnis aus Gewicht nach Marktkapitalisierung und GDP als Wachstumsindikator: ein hoher Faktor deutet eher auf ‚reife’ Volkswirtschaften mit vermutlich geringeren Wachstumsperspektiven, ein geringer Faktor eher auf ein Land mit hohem Entwicklungspotential.
Eine Gewichtung nach GDP dürfe aber auch vom Rebalancing profitieren, da das Wachstum der Volkswirtschaften stetiger verläuft, als die Entwicklung der jeweiligen Börsen-Indizes. Übertreibungen werden frühzeitig abgebaut, somit spätere Verluste reduziert, wenn die Börsen zum langfristigen Mittelwert korrigieren (‚mean reversion’).
GDP-Gewichtung im Depot
Wenn GDP-gewichtete Indizes auch nicht von ETF Anbietern angeboten werden, so kann der Anleger diesen Effekt zumindest teilweise in seinem Depot abbilden: die Regionen eines Welt-Indizes können separat ins Depot genommen werden und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Regionen gewichtet werden, beispielsweise nach dem Bruttonationalprodukt (Gross Domestic Product, GDP). Entsprechende Zahlen finden sich auf der Internetseite der Weltbank oder bei Wikipedia, müssen allerdings entsprechend dem Zuschnitt der Regionen des Indexanbieters aggregiert werden. Die Basis sind dann zwar immer noch Indizes, die die einzelnen Länder nach Marktkapitalisierung gewichten, auf Ebene der Regionen erreicht man so aber eine Gewichtung, die der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften gerecht wird. Jacobs/ Müller/ Weber (2008) zeigen, dass eine GDP-gewichtete Aufteilung der Aktienkomponente auf die Regionen Nordamerika, Europa, Asien/Pacific und Entwicklungsländer einer Gewichtung nach Marktkapitalisierung überlegen ist und etwa gleich gute Ergebnisse erzielt, wie eine Gleichgewichtung der Regionen.
Rendite-Vergleich: Marktkapitalisierung vs. Gleichgewichtung vs. GDP-Gewichtung in Indizes
Jeder Anleger kann heute die Renditen der unterschiedlichen Gewichtungsmethoden leicht selber verfolgen, da viele Indexanbieter historische Daten im Internet veröffentlichen. Für einen weltweit diversifizierenden Aktien-Index, welcher die Performance von großen und mittelgroßen Unternehmen abbildet, sieht ein Renditevergleich über 10 Jahre per Ende 2011 beispielsweise so aus:
Tabelle: Renditevergleich eines weltweit diversifizieten Aktien-Index*
Annualisierte Rendite (in %) | Marktkapitalisierung | GDP Gewichtung | Gleichgewichtung |
2001 bis 2011 | 0,4 | 2,7 | 6,0 |
Jährliche Differenz vs. Marktkapitalisierung | --- | + 2,3 | + 5,6 |
* Renditen incl. Netto-Dividenden
Fazit
- Das Prinzip der Gleichgewichtung kann auch hier wieder überzeugen, wie schon beim Diversifizieren innerhalb von Anlageklassen, sowohl hinsichtlich des Anlageergebnisses, als auch hinsichtlich Einfachheit, Transparenz und Aufwand. Das Angebot an ETFs auf gleichgewichtete Indizes ist allerdings noch äußerst überschaubar.
- Mit marktkapitalisierungsgewichteten Indizes lässt sich die Extra-Rendite zumindest teilweise heben. Wer mit etwas komplexeren Depots noch gut zu Recht kommt, kann
- mit Small-Cap bzw. Value-Indizes das Gewicht kleiner bzw. unterbewerteter Unternehmen im Depot stärken, und /oder
- Regionen-Indizes selbständig nach GDP gewichten. Diese Methode liefert einen intuitiv plausiblen Ansatz, ohne Spekulation das Gewicht der Schwellenländer relativ zu den Industrieländern zu bestimmen. Wer sich die GDP-Berechnung sparen will, dürfte mit einer Gleichgewichtung nicht schlechter gestellt sein.
- Nur wer die Komplexität im Depot eng begrenzen möchte, mag einen (globalen) RAFI Index in Betracht ziehen, und so zumindest teilweise profitieren.
- Konsequentes Rebalancing hat einen positiven Ergebnisbeitrag an sich (und ist vermutlich der Treiber hinter vielen der oben dargestellten Renditeeffekte).
- Bei Anleihen steht die Entwicklung von ‚intelligenten’ Indizes noch ganz am Anfang. Es empfiehlt sich, die Schwergewichte in den jeweiligen Anleihe-Indizes zu recherchieren.
Jetzt konkret werden - lesen Sie weiter:
Literaturhinweise
Andersson, J. O., 2009, Irrational Indexation, September 28,.
Arnott, R. D., Hsu, J., Moore, P., 2005, Fundamental Indexation, Financial Analysts Journal, 61, 83-99.
Chen, C., Chen, R., Bassett, G. W., 2007, Fundamental indexation via smoothed cap weights, Journal of Banking and Finance, 31, S. 3486-3502.
Haugen, R. A., Baker, N. L., 1991, The efficient market inefficiency of capitalization-weighted stock portfolios, Journal of Portfolio Management, 17, S. 35-40.
Hemminki, J., Puttonen, V., 2008, Fundamental Indexation in Europe, Journal of Asset Management, 8, S. 401-405.
Hsu, J. C., Chow, T., Kalesnik, V., Bryce, L., 2011, A Survey of Alternative Equity Index Strategies (March 3).
Hsu, J. C., 2006, Cap-weighted portfolios are sub-optimal portfolios, Journal of Investment Management, 4, S. 1-10.
Plyakha, Y., Uppal , R., Vilkov, G., 2012, Why Does an Equal-Weighted Portfolio Outperform Value- and Price-Weighted Portfolios? (January 31, 2012).
Shimizu, Y. R., Tamura, H., 2005, Fundamental Indices: Do they Outperform Market-Cap weighted Indices on a global Basis?, Security Analysts Journal, 43.
Treynor, J., 2005, Why market-valuation-indifferent indexing works, Financial Analysts Journal, 61, S. 65-69.