Genießen Sie die Stille – schalten Sie den Lärm ab!
Medien veranstalten viel Lärm - um nichts. Um nichts wirklich werthaltiges. Für Anleger, die sich von ihnen verführen lassen, hat sich der Begriff ‚Noise-Trader’ etabliert. Noise Trader erzielen ein schlechtes Anlageergebnis. Daher: handeln Sie im Sinne Ihrer Strategie und schalten sie die Verführer ab! Genießen Sie die Stille! Das ist nicht nur gut für Ihren Anlageerfolg, sondern auch ein Gewinn an Lebensqualität.
Noise-Trader erzielen kein gutes Anlageergebnis
Die Finanzwissenschaft hat für die Berichterstattung in den Medien den Begriff ‚Noise’ (Lärm, Getöse) geprägt. ‚Noise-Trader’ treffen Anlageentscheidungen auf Basis von (Medien-)Nachrichten, die sie für Informationen halten (vgl. Black, 1986). Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass Anlageentscheidungen auf Basis von ‚Noise’ zu Minderrenditen führen. Die Professoren Terry Odean und Brad Barber haben sich in zahlreichen Studien mit diesem Phänomen beschäftigt. Eine Analyse von mehr als 66.000 Depots bei Discount-Brokern zeigte beispielsweise, dass das Anlageergebnis umso schlechter wurde, je mehr gehandelt wurde. Die Gruppe mit der höchsten Handelsaktivität schlug das Portfolio jährlich 2,5 mal um und erzielte eine Rendite von 11,4%. Anleger mit einer ‚buy-and-hold’ Strategie handelten lediglich 2% ihres Portfolios und erzielten eine Rendite von 18,5% - über 60% mehr als die ‚Trader’. Neben den Transaktionskosten führt man dies vor allem auf eine Selbstüberschätzung der Anleger zurück (Overconfidence Bias). So darf es kaum überraschen, dass Männer häufiger handeln und in Folge schlechtere Ergebnisse erzielen als Frauen. Wer an den Finanzmärkten viel handelt, hat alles andere als das ‚Heft des Handelns in seiner Hand’. Handeln vermittelt ein äußerst trügerisches Gefühl von Kontrolle über das Marktgeschehen.
Der negative Einfluss der Medien ist empirisch und theoretisch gut begründet
In Schritt 1 haben wir bereits zahlreiche empirische Studien kennen gelernt die zeigen, dass es sich nicht lohnt, die Berichterstattung in den Medien und Profi-Tipps für seine Anlageentscheidungen zu nutzen:
- Empfehlungen von ‚Experten’, Börsenbriefe und Newsletter etc., führen zu schlechteren Anlageergebnissen als der Marktdurchschnitt.
- Fonds-Rankings sind ohne Prognosewert: ‚gute’ Fonds können weiterhin gut sein, oder aber auch schlechte Ergebnisse erzielen. Beides ist gleich wahrscheinlich.
- Was berichtet wird, ist in den Kursen längst ‚eingepreist’; Märkte gelten heute als effizienter, als jemals zuvor: durch den technischen Fortschritt sind die Transaktionskosten gesunken, Märkte liquider, Informationen sind heute allen Marktteilnehmern jederzeit verfügbar. Da der Marktpreis stets alle Informationen und Erwartungen abbildet, gibt es keine Informationen, aus denen sich ein Vorteil ziehen lassen würde.
- Wer mit der Herde rennt, wird kaum zu den Gewinnern gehören. Medien sind vor allem ein Verstärker: in der Krise überbieten sie sich in Schwarzmalerei, im Boom mit überbordendem Optimismus. Medien sind somit ein guter Indikator für die Stimmung. Medien lassen erahnen, wohin die Herde gerade rennt. ‚Mitrennen’ ist keine Erfolgsstrategie.
Zudem: Alleine die Asset Allocation entscheidet über den Anlageerfolg (vgl. Kapitel ‚Nur die AA zählt’, und ‚Anomalien nutzen, Rendite steigern’). Studien zeigen immer wieder, dass ‚stock picking’ und ‚market timing’ keine Erfolgsstrategien sind. Kurzfristiges kaufen/verkaufen erhöht nicht die Rendite, sie vernichtet Rendite. Selbst Profis können solche Strategien nicht zu ihrem Vorteil nutzen, sonst wären deren Ergebnisse besser.
Medien, auch die seriösesten, haben nicht das Ziel, aus Ihnen einen erfolgreichen Anleger zu machen
Medien leben von Ihrem Interesse; von verkaufter Auflage und von Anzeigen (hier meist der Finanzbranche!). Und: die Seiten wollen gefüllt sein, täglich, wöchentlich, monatlich. So werden (spannende) Geschichten erzählt über Dinge, von denen Sie bisher annahmen, dass es Sie interessiert. Medien wollen Sie unterhalten. Sie wollen Ihre Aufmerksamkeit; alle wollen Ihnen etwas verkaufen.
Wer sein effizientes Portfolio-ohne-Wetten zu minimalen Kosten umsetzt, an dem kann die Branche nicht mehr viel verdienen. Erwarten Sie daher nicht zu viel Zuspruch für Ihre Strategie. Rechnen Sie eher mit dem Gegenteil: es wird Misstrauen gegen Ihre Strategie geschürt werden, Zweifel werden verstärkt werden. Sie werden mit ‚noch besseren Produkten’ geködert werden. Letztlich aber gilt: Alle wollen nur Ihr Bestes – Ihr Geld!
Wer professionelle Hilfe in Anspruch nehmen möchte, dürfte mit einem kompetenten Honorarberater am besten fahren. Der kostet zwar jede Stunde sein Geld. Da er aber ausschließlich von Ihnen bezahlt wird, dürften Sie von ihm eine neutrale Beratung erwarten.
Exkurs
So sind Sie selber ‚Experte’ und kommentieren das Börsengeschehen wie ein Profi
Machen Sie sich einmal den Spaß und seien Sie selber der ‚Börsen-Experte’, der im TV das Marktgeschehen kommentiert. Es ist ein Kinderspiel!
Das geht so: Nehmen Sie sich eine Nachricht des Tages (Wahlausgang in Land X, Pressemeldung von Unternehmen Y, Statistik Z wurde veröffentlicht…) und beobachten Sie, was die Kurse machen. Ganz wichtig: Sie stellen IMMER einen Bezug zwischen Ereignis und Kursentwicklung her, d.h. das Ereignis ist IMMER verantwortlich für das Geschehen an der Börse. Denn Sie müssen ja allen Glauben machen, dass an der Börse nichts zufällig passiert (sonst wären Sie als ‚Erklärer’ ja selber überflüssig). Das ist übrigens kein Problem: der Zuschauer glaubt es Ihnen nur zu gerne.
Dann kommentieren Sie nach dem folgenden ‚Rezept’:
Gute Nachricht / steigende Kurse
Ein Selbstläufer. Sagen Sie wahlweise: ‚Das Ereignis beflügelt die Kursentwicklung’. ‚Die Zahlen waren besser als erwartet.’ ‚Das Ereignis hat den Anlegern die Sorge genommen…- man Blickt nun optimistischer in die Zukunft.’.
Gute Nachricht / Kurse unverändert
Nutzen Sie Phrasen wie: ‚Der Markt hat das (Ereignis) bereits erwartet’. ‚(Das Ereignis) war bereits im Kurs eingepreist’.
Gute Nachricht / sinkende Kurse
Professionell kommentieren Sie: ‚Der Markt reagiert enttäuscht. Anleger hatten noch bessere Zahlen erwartet.’ Oder, sehr beliebt: ‚Die gute Nachricht wird von Anlegern genutzt, erst einmal Gewinne mitzunehmen.’
Schlechte Nachricht / steigende Kurse
Jetzt können Sie brillieren; eine solche Entwicklung erfordert den wahren ‚Experten’. Sagen Sie: ‚Marktteilnehmer nutzen die Gelegenheit, sich zu niedrigen Kursen einzudecken.’ Etwas volkstümlicher: ‚Schnäppchenjäger sind unterwegs.’ Oder: ‚Anleger spekulieren auf eine baldige Erholung.’ Oder: ‚Die Stimmung ist derzeit generell optimistisch; der Markt ignoriert derzeit negative Nachrichten. … Das (negative) Ereignis hat seinen Schrecken verloren.’
Schlechte Nachricht / Kurse unverändert
Siehe oben: wie ‚Gute Nachricht / Kurse unverändert’.
Schlechte Nachricht / fallende Kurse
Ein Selbstläufer: ‚Anleger flüchten aus dem Wertpapier.’ ‚Große Enttäuschung.’ ‚Die schlechte Nachricht trübt die Stimmung.’ 'Anleger befürchten, dass das noch nicht alles war.'
Sollten Sie zweifeln, ob das Publikum Sie selber für Kompetent hält, interviewen Sie doch einfach einen ‚Finanz-Profi’. Der macht das gerne, wird das Marktgeschehen mit ähnlichen Worten beschreiben - und zudem noch suggerieren, dass diese Entwicklung für Ihn vorhersehbar war. (Sonst hat sich das Interview für ihn persönlich nicht gelohnt.)
Die schlichte Wahrheit, dass jeder Kurs sich aus Angebot und Nachfrage ergibt, und heute einfach mehr Käufer als Verkäufer am Markt waren (steigende Kurse), oder mehr Verkäufer als Käufer (fallende Kurse), dass Kurse sich erwiesener Maßen überwiegend zufällig entwickeln und nur in den seltensten Fällen überhaupt ein Bezug zu Nachrichten nachweisbar ist, diese Wahrheit dient keinem von beiden, – weder den Medien, noch den Finanz-Profis.
Tipp
Schalten Sie den Lärm ab! Genießen Sie die Stille! Keinen Nachrichtenkanal mehr, keinen Börsenticker; Börsenmagazin und Newsletter – abbestellt, die Kurs-App auf dem iphone – gelöscht. Nachrichten sieht man nur noch, weil man wissen will, was in der Welt los ist. Wer im Urlaub mal drei Wochen ohne tägliche Nachrichten war weiß, dass man auch darauf gut verzichten kann, ohne gravierendes zu verpassen.
Stattdessen einmal wöchentlich eine gute Zeitung mit Hintergrundberichterstattung. Und ab und zu ein gutes Buch, gerne auch mal ein finanzwissenschaftliches. Bei Büchern von Promi-Journalisten, Vermögensverwaltern oder Börsen-Gurus ist eher Skepsis angebracht. Erstere leben davon, Ihnen Bücher zu verkaufen (und nicht von ihrem eigenen Anlageerfolg), letztere leben von den Anleger-Provisionen, die sie erfolgreich eingeworben haben, - schreiben Bücher daher eher aus Gründen der Selbstvermarktung. Im Buchhandel stehen meist die Neuerscheinungen im Regal: Bücher die geschrieben wurden, um Auflage zu erzielen – und spätestens nach sechs Monaten gegen Neuerscheinungen ausgetauscht werden. Die wirklich guten Bücher sind meist schon etwas älter und zeigen dadurch, dass ihre Substanz den Zeitgeist überlebt hat. Eine Liste ausgewählter Literatur finden sie hier.
Fazit
Vertrauen Sie Ihrem Effizienten Portfolio, welches Sie nach wissenschaftlichen, empirisch abgesicherten Grundsätzen erstellt haben. Erwarten Sie nicht, dass Finanz-Profis und Medien Sie dabei unterstützen. Diese haben andere Interessen.
Machen Sie sich den Kopf frei für die schönen und wichtigen Dinge im Leben. Vier Stunden jährlich reichen, um Ihr Portfolio zu managen. Das Trommelfeuer der Medien und die Tipps der Branche zu ignorieren ist nicht nur gut für Ihren Anlageerfolg, - sondern ein Gewinn an Lebensqualität.
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Literaturhinweise
Barber, B. M., Lee, Y., Liu, Y., Odean, T., 2005, Who Loses from Trade? Evidence from Taiwan ssrn.com/abstract=529062.
Barber, B. M., Lee, Y., Liu, Y. and Odean, T., 2005, Do Individual Day Traders
Make Money? Evidence from Taiwan ssrn.com/abstract=529063.
Barber, B. M., Odean, T., 2000, Trading is hazardous to your wealth: The common stock investment performance of individual investors, Journal of Finance, 2000, 55, 773-806.
Barber, B. M., Odean, T., 2001, Boys will be boys: Gender, overconfidence, and commonstock investment, Quarterly Journal of Economics, 116, 261-292.
Barber, B. M., Odean, T., 2005, All that Glitters: The Effect of Attention and News on the Buying Behavior of Individual and Institutional Investors, ssrn.com/abstract=460660.
Barber, B. M., Odean, T., Zhu, N., 2005, Systematic Noise ssrn.com/abstract=474481.
Black, F.,1986, Noise, The Journal of Finance, 41: 529–543.
Odean, T., 1999, Do Investors Trade Too Much?, The American Economic Review, December, Vol. 89, Nr. 5, 1279 ff.