Wozu? - Maximiere Glück – nicht Geld.
In den westlichen Industrienationen stagniert das persönliche Glücksempfinden, trotz wachsendem wirtschaftlichen Wohlstand. Jenseits eines gewissen Wohlstands scheint persönliches Glück nicht alleine aus (mehr) Geld zu entstehen. Vielmehr scheint jeder Einzelne für sich einen Weg finden zu müssen, die Summe seines persönlichen Glücksempfindens, sein Lebensglück, zu steigern.
Nur derjenige, der seinen persönlichen 'Weg zum Glück' kennt dürfte in der Lage sein zu erkennen, welche finanziellen Mittel er heute und in der Zukunft hierfür benötigt - Fragen, die wir im nächsten Kapitel in Zahlen fassen wollen.
Macht Geld glücklich?
Nie zuvor waren für jeden einzelnen die Möglichkeiten besser, sein Leben frei nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Noch nie gab es mehr Länder weltweit mit einer demokratischen Grundordnung, Menschenrechte sind weit verbreitet und schützen jeden einzelnen vor Willkür, wir leben mit allen europäischen Nachbarn seit Jahrzehnten in Frieden, kirchliche- und gesellschaftliche Normen entfalten heute nicht mehr die bindende Kraft, als dass man sich ihnen nicht entziehen könnte, Bildung ist grundsätzlich kein Privileg bestimmter gesellschaftlicher Klassen, die Lebenserwartung steigt auf neue Höchststände, wir arbeiten weniger und sind trotzdem wohlhabender als unserer Eltern, nationalstaatliche Grenzen sind offener denn je und ermöglichen Freizügigkeit, reisen ist jederzeit möglich und war noch nie so billig wie heute, im Umweltschutz ist viel passiert in den letzten 40 Jahren (Luft sauberer, Flüsse klarer), das Internet und Smartphones ermöglichen soziale Interaktion wie nie zuvor. Die Aufzählung ließe sich beliebig erweitern.
Und trotzdem ermittelt die Glücksforschung, dass unser persönliches Wohlbefinden in den letzten 50 Jahren kaum zugenommen hat. Obwohl sich in den USA der Lebensstandard in den letzten 50 Jahren verdoppelt hat, ist die Zahl derjenigen, die sich selber für glücklich halten, konstant. Bereits ab einem Pro-Kopf-Einkommen von USD 20.000.- pro Jahr steigt das Glücksempfinden nicht mehr proportional mit dem Einkommen. Jenseits eines bestimmten Grund-Wohlstands findet die Forschung keinen direkten Zusammenhang mehr zwischen dem subjektiv wahrgenommenen Glück und der Höhe des Einkommens bzw. des Bankguthabens. Geld alleine macht nicht glücklich.
Die Glücksökonomie (Happiness Economics), ein recht neuer Forschungszweig in der Ökonomie, beschäftigt sich mit den Fragestellungen der subjektiven Wertschätzung des eigenen Lebens und was das persönliche Wohlempfinden (deutlich) verbessern würde.
Die glücklichsten Menschen leben übrigens in Costa Rica (2009, 2012), aber auch Vietnam belegt wiederholt ein Spitzenranking. So jedenfalls, wenn man dem Happy Planet Index (HPI) der New Economics Foundation (NEF) glauben möchte, der erstmals in 2006 veröffentlicht wurde. Die ausschließliche Focussierung auf wirtschaftliche Kennzahlen wie das Bruttosozialprodukt wird alleine schon deshalb als unzureichend empfunden, weil die meisten Menschen nicht reich, sondern ‚glücklich’ und gesund leben wollen. Wobei ‚glücklich sein’ ein subjektives Empfinden zum Ausdruck bringt.
Entscheidend ist also, wie Menschen sich dabei fühlen, was immer sie tun und sind. Glück entsteht somit im Kopf. Wenn dem so ist, kann man ‚sich glücklich fühlen’ lernen. Indem man sein eigenes Denken lenkt, trainiert. Es kommt also weniger darauf an, was Menschen tun und sind, sondern wie sie dieses selber bewerten.
Was macht glücklich?
Sind bestimmte materielle Wünsche erfüllt, nehmen wir diese schon bald als selbstverständlich war. Erwerben befriedigt mehr als Besitzen. Neue, größere Ansprüche wachsen schnell nach. Das soziale Umfeld, die Peer-Group, ist für unsere Ansprüche in der Regel der Maßstab. So ist zu erklären, dass auch der objektiv Wohlhabende oft selber kein Glück empfindet, denn es gibt in seinem Umfeld immer einen Menschen mit einer größeren Villa, einer längeren Yacht, einem exotischeren Feriendomizil, einem attraktiveren Lebenspartner etc..
Die meisten Menschen scheinen sich dieser Dynamik nicht entziehen zu können: sie investieren immer mehr Zeit in Job und Karriere für ein höheres Einkommen und einen dickeren Bonus. Sie opfern ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung für (noch) mehr Geld. ‚Und sie kaufen Dinge, die sie nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken die sie nicht mögen, mit Geld, welches sie nicht haben.’ (Precht, 2007, S. 350) . Geld und Prestige stehen für viele auf der höchsten Stufe des Wertekanons, noch vor Familie und Freunden. Wie selbst Kinder schon von diesen Werten vereinnahmt werden beschreibt eindrucksvoll die Professorin Juliet Schor (2004).
Diese Verhalten ist paradox: denn tatsächlich ermittelt die Glücksforschung für uns genau umgekehrte Prioritäten. ‚Danach gibt es nichts, was mehr Glück stiftet als die Beziehungen zu anderen Menschen, also zu Familie, zum Partner, zu Kindern und Freunden. An zweiter Stelle steht das Gefühl, etwas Nützliches zu tun, und je nach Umständen Gesundheit und Freiheit’ (Precht, 2007, S. 350). Schon Epikur lehrte um 300 v. Chr., dass nicht der Besitz, sondern soziale Beziehungen das dauerhafte Glück begründen.
Der Schlüssel zum persönlichen Glück liegt also nicht in der Maximierung des Bankkontos, sondern darin, sich der Dynamik, dem ‚Hamsterrad’, wenigstens ein Stück weit zu entziehen. Stattdessen kann man den Dingen eine Chance geben, die uns nachhaltig glücklich machen. Dies ist keine einfache Aufgabe, sind Philosophen doch überzeugt, dass der Mensch vielfach das Produkt seiner Anlagen, seiner Erfahrungen, seiner Erziehung und Bildung ist. Er ist damit sozial unfrei. Was er ggf. für seinen freien Willen hält, sind lediglich die Erwartungen, die Normen und Rollen seines sozialen Umfeldes. Trotzdem gibt es natürlich Spielraum, je nach Persönlichkeit mehr oder weniger. Der Volksmund weiß: ‚Jeder ist seines eignen Glückes Schmied.’ Ermutigend!
Versuchen Sie sich dem Maßstab ihres Umfeldes wenigstens ein Stück weit zu entziehen und für sich selber zu definieren:
Was ist mir wichtig?
Und ganz wichtig: wie viel davon ist genug?
Zunächst geht es daher darum zu erkennen, was für einen selber wichtig ist, wie man selber ‚tickt’. Im zweiten Schritt geht es darum zu definieren, wie viel davon jeweils genug ist.
Es gibt zahlreiche Ratgeber-Literatur und Übungen, die einen darin unterstützen zu erkennen, was einem wichtig ist im Leben, auf die wir deshalb hier nicht weiter eingehen wollen. Meistens sind es Fragen wie, ‚Was sollte der Priester bzw. die Angehörigen in der Trauerrede an Ihrem Grab über Sie sagen - der eine Satz, über den Sie sich freuen würden?’, die helfen, das Leben vom Ende her zu denken und auf den Punkt zu bringen. Fragen wie ,Was würden Sie noch machen, wenn Sie heute erfahren, dass Sie nur noch 12 Monate zu leben hätten’, forschen ebenso nach dem, was Ihnen wirklich wichtig ist wie die Frage: ‚Mit welchem Prominenten würden Sie gerne (mal) tauschen, und warum?’.
Haben Sie eine Liste der Dinge, die Ihnen wichtig sind im Leben, ist es genauso wichtig anschließend zu überlegen, wie viel davon jeweils genug ist. Wie viel Freunde? Wie viel Partnerschaft? Wie viel Liebe? Wie viel (guten) Sex? Wie viel Zeit mit dem Sohn / der Tochter? Wie viel Prestige? Wie viel Villa? Wie viel PS? Wie viel Anderen helfen? Wie viele Paar Schuhe? Wie viel Zeit für sich selber? Wie viel von der Welt sehen? Wie viel arbeiten?... und zuletzt, und daraus abgeleitet: Wie viel Geld ist genug?
Erst wer sich selber erkennt, wer für sich durchaus ambitionierte aber realistische Erwartungen definiert, hat überhaupt die Chance, einen Zustand zu erreichen, in dem sich Zufriedenheit einstellt, eine Zufriedenheit mit dem Erreichten, und dadurch in Übereinstimmung mit sich selber zu kommen, ‚sein Glück zu finden’ – wie man umgangssprachlich sagt.
In unserem ‚tiefen Inneren’ haben wir also zunächst eine Antwort auf die Frage zu suchen: ‚Wozu das Ganze (Geld)?’. Und: wie viel (Geld) ist tatsächlich erforderlich?
Ein Beispiel: Das Ferienhaus im Süden
Ein Ferienhaus im Süden, von dem viele träumen, hat seinen Reiz ggf. schnell verloren. Besitzen wir es, gewöhnen wir uns schnell daran. Wie an die anderen Dinge, das Auto, ein tolles Kleid, die Traum-Schuhe… Unter Umständen wird es sogar zu Last; man möchte ja auch mal woanders Urlaub machen. Allerdings: ein Ferienhaus im Süden, wo man sich regelmäßig mit Familie und Freunden trifft und gemeinsame Zeit verbringt, hat das Potential, nachhaltiges Glück zu stiften. Und wenn das besagte Traumhaus dann noch gemietet ist, erfordert es sogar nur einen Bruchteil der finanziellen Mittel. Ist es also wirklich der Besitz der Immobilie im sonnigen Süden, von dem wir träumen? Oder träumen wir eher davon, mit Familie und Freunden am Pool ‚abzuhängen’ und abends beim BBQ zusammen zu sitzen? Egal wovon SIE träumen: horchen Sie genau in sich hinein, denn der finanzielle Unterschied kann, wie das Beispiel zeigt, beträchtlich sein.
- Geld als Selbstzweck macht nicht glücklich; Geld hingegen, welches dem Zweck dient, nach seinen persönlichen Werten zu leben und seine innersten Wünsche, Bedürfnisse und Ziele zu realisieren, schon.
Derjenige, der weiß, was und wie viel davon er braucht um glücklich zu sein, hat nicht nur die Voraussetzungen geschaffen, für sein glückliches Leben. Er kann auch erkennen, welche finanziellen Mittel er für sein persönliches Glück benötigt.
Im folgenden Kapitel wollen wir das finanzielle Ziel nun konkret beschreiben, und zwar für das wohl häufigste Motiv des Sparens: den Traum von der finanziellen Unabhängigkeit und einer komfortablen Rente im Alter.
Lesen Sie weiter:
Literaturhinweise:
Precht, R.D., 2007, ‘Wer bin ich - und wenn ja wie viele’, Wilhelm Goldmann Verlag, München
Schor, J. B., 1992, ‘The overworked American: The Unexpected Decline of Leisure’, Basic Books.
Schor, J. B., 2004, Born to buy: The Commercialized Child and the New Consumer Culture, Scribner.
Schor, J. B., White, K., 2010, Plentitude: The New Economics of True Wealth, Tantor Media.
Verhooven, R., Happy Life Years Index. World Database of Happiness, Erasmus University, Introduction to Bibliography, www1.eur.nl/fsw/happiness/hap_bib/introtexts/introbib2.htm