Slice & Dice - Diversifizieren innerhalb von Anlageklassen
Diversifizieren innerhalb von Anlageklassen beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche zusätzlichen Vorteile ein ‚herunterbrechen’ einzelner Anlageklassen in Sub-Segmente erzielen kann (im Jargon der US-Anleger als Slice & Dice bezeichnet).
Im Vergleich zum Gesamtmarktindex können einzelne Subsegmente eine höhere Rendite versprechen und/oder eine geringere Schwankungsbreite der Rendite aufweisen (vgl. Kapitel 'Rendite stärken - Anomalien nutzen') und/oder über eine attraktivere Korrelation zu anderen Anlagen verfügen. Auch aus dem periodisch erforderlichen Rebalancing kann ein zusätzlicher Vorteil erzielt werden (vgl. Kapitel ‚Rebalancing’).
Theoretische Grundlage: die Portfoliotheorie und die Entdeckung von Anomalien
Die theoretische Grundlage liefert die Portfoliotheorie und die Entdeckung von Anomalien. Da die Subsegmente meist nicht vollständig mit der marktbreiten Anlageklasse korrelieren, ergibt sich ein weiterer, wenn auch meist geringerer Diversifikationseffekt. Zudem bieten bestimmte Subsegmente mittelfristig ein attraktiveres Rendite-/Risikoverhältnis als deren marktbreite Anlageklasse (vgl. Kapitel ‚Anomalien’). So haben beispielsweise die Professoren Eugene Fama und Kenneth French (1992) nachgewiesen, dass Aktien kleiner Unternehmen und unterbewerteter Unternehmen (Substanzwerte, Value-Aktien) mittelfristig eine höhere Rendite erzielen. Seitdem versuchen sich zahlreiche Experten an Vermögensallokationen, die diese Effekte bestmöglich für eine Steigerung der Portfolio-Performance nutzen.
Gewichtung der Sub-Segmente
Teilt man die jeweiligen Anlageklassen in Subsegmente auf, nimmt die Zahl der Posten in einem Portfolio rasch zu. Welches Gewicht sollte nun jeder Posten innerhalb einer Anlageklasse haben? Auch hier ist die beste Lösung wieder überraschend einfach.
Die Strategie der Gleichgewichtung
Bei einer Gleichgewichtung erhält jede Anlage jeweils das gleiche Gewicht im Portfolio: hat man 5 Anlagen, erhält jede ein Gewicht von 20%; bei 10 Anlagen, jeweils ein Gewicht von 10%, usw.. Die Gewichtung wird regelmäßig auf die Ausgangswerte zurückgesetzt (Rebalancing), was wir später noch genauer betrachten werden.
DeMiguel (2008) zeigen, dass eine simple Gleichgewichtung zu mindestens ebenbürtigen Resultaten führt, wie sie die besten der komplexen Optimierungsverfahren liefern. Mindestens ein Dutzend theoretischer Modelle sind in den letzten Jahrzehnten entwickelt worden, um mit der Methode der Markowitz-Optimierung doch noch zum ‚optimalen’ Portfolio zu kommen. Es wird mit hohem Aufwand versucht, Schätzfehler zu berücksichtigen, zu minimieren oder zu korrigieren. Doch wie DeMiguel zeigen, ist keine dieser Methoden einer Gleichgewichtung überlegen. Ganz im Gegenteil: viele Methoden liefern sogar zuverlässig ein schlechteres Ergebnis. Dabei stellt sich das Gleichgewichtungsportfolio als umso überlegener heraus, je größer das Anlageuniversum ist, d.h. je mehr Anlagen betrachtet bzw. im Portfolio berücksichtigt werden. Gleichzeitig erfordert die Gleichgewichtung die geringsten Umschichtungen im Depot.
DeMiguel schließt aus dem Ergebnis, dass Schätzfehler, insbesondere hinsichtlich zukünftiger Renditen, alle Vorteile zunichte machen, die eine ‚optimale’ Allokation gegenüber einer Gleichverteilung haben könnte. In unseren Worten: ‚Wer wettet verliert. Und: einfach schlägt komplex’. Studien von Jobson/ Korkie (1981) und Michaud (1989) hatten bereits zuvor auf die besondere Stärke einer Gleichgewichtung hingewiesen.
Optimale Gewichtung innerhalb von Anlageklassen für den Anleger aus dem Euro-Raum
Gerke (2005) zeigte, dass auch der deutsche Anleger von einer weltweiten Streuung seines Aktieportfolios profitiert. Eine Gleichgewichtung schlägt den ‚home bias’. Heißt: wer sich von einem Aktienportfolio ausschließlich aus deutschen Aktien verabschieden möchte und nicht so genau weiß, wie er andere Länder und Regionen gewichten soll, erzielt mit einer Gleichgewichtung ein besseres Ergebnis.
Jacobs/ Müller/ Weber (2008) bestätigen die Stärke der Gleichgewichtung für ein weltweit diversifiziertes Aktienportfolio aus Sicht eines Anlegers aus dem Euro-Raum.
Woher kommt die Stärke der Gleichgewichtungsstrategie?
Die Gleichgewichtung ist eine Fehlervermeidungsstrategie, ganz offensichtlich sogar die beste Fehlervermeidungsstrategie: sie vermeidet Fehler effektiver als alle anderen Verfahren. Die Zukunft bleibt unvorhersehbar – auch die ausgeklügeltste Methode kann das nicht ändern. Auf eine Prognose komplett zu verzichten liefert ganz offensichtlich bessere Ergebnisse, als die besten Prognoseverfahren. 'Es fährt derjenige am besten, der sich traut, gar keine Meinung über die zukünftige Entwicklung zu haben.' AnlegerCampus
DeMiguel zeigt weiter, dass es vor allem Prognosen über die zukünftigen Renditen sind, die die Portfolios scheitern lassen. Berücksichtigt man alleine die Korrelationen, führt dies zu deutlich
verbesserten Ergebnissen.
Wenn man zudem noch berücksichtigt, wie einfach und preiswert sich ein solches Gleichgewichtsportfolio umsetzen lässt, muss das Modell, welches diese simple, naive Allokations-Methode schlägt, wohl erst noch erfunden werden. Neueste Ansätze, nun doch noch eine überlegene Methode zu finden, akzeptieren die Überlegenheit der naiven Gleichgewichtung und kombinieren diese nun mit einigen der vormals erfolgversprechendsten Methoden (vgl. Tua, 2011). Ob dies tatsächlich zukunftsweisend ist, oder sich lediglich als der verzweifelte Versuch herausstellt, ‚alte’ Modelle zu retten, bleibt abzuwarten.
Unser Motto ‚Wer wettet, verliert’, wird auch hier wieder mehr als deutlich. Wer versucht, die Zukunft zu prognostizieren und hierzu auch noch auf komplexe Modelle setzt, ist zum scheitern verurteilt. Michaud (1989) und Best/Grauer (1991) haben festgestellt, dass einige Methoden eher das Potential haben den Schätzfehler zu maximieren.
Einfach muss nicht schlecht sein – im Gegenteil. So wettet man seinen Lebenstraum nicht auf eine bestimmte zukünftige Entwicklung, die dann am Ende unter Umständen nicht eintritt.
Genaugenommen haben Privatanleger sogar einen unschlagbaren Vorteil gegenüber Finanz-Profis: Privatanleger können sich viel eher trauen, keine Meinung über die Zukunft zu haben und entsprechend ihr Vermögen anlegen. Dagegen sind Finanz-Profis geradezu verdammt dazu sich mit seherischen Qualitäten zu profilieren und Anlagen entsprechend zu selektieren. Testen Sie sich selber: Würden Sie einem Finanzprofi Ihr Geld anvertrauen, und ihn fürstlich bezahlen, der sagt: ‚Keine Ahnung, wie sich die Anlagen zukünftig entwickeln werden. Ich verteile Ihr Geld daher gleichmäßig auf alle möglichen Anlagen’? - Eben! Würden Sie nicht. Und da alle Profis letztlich von dem Geld der Kunden leben, dürften Sie dies in der absehbaren Zukunft auch kaum zu hören bekommen.
Auf kurze Sicht gibt es immer Portfolios, die besser abschneiden – das muss so sein!
Sie haben nun eine Struktur für Ihr persönliches Portfolio entwickelt, zunächst die strategischen Entscheidungen über Anlageklassen getroffen, sowie anschließend in Betracht gezogen einzelne Anlageklassen weiter zu diversifizieren. Sehr gut! Dann sollten Sie noch folgendes bedenken:
Die Renditen einzelner Anlageklassen können über kurze Zeithorizonte stark schwanken, wie wir im Kapitel ‚Anlageklassen und deren Charakter’ gesehen haben. Erst über einen längeren Zeithorizont betrachtet nehmen diese Schwankungen ab: die Renditen tendieren zur langfristigen, mittleren Rendite dieser Anlagenklasse in dieser Periode. Hieraus ergeben sich gleich mehrere Konsequenzen:
- Das ‚optimale’ Portfolio im kommenden Jahr wird somit mit großer Wahrscheinlichkeit ganz anders aussehen, als das ‚optimale’ Portfolio im übernächsten Jahr usw.. Was wirklich die ‚optimale’ Aufteilung des Vermögens ist, stellt sich erst nach einigen Jahren heraus und zwar, bedauerlicherweise, erst im Nachhinein. Bis dahin wird es viele (einzelne) Jahre geben, in denen eine andere Vermögensallokation (vorübergehend) ein besseres Ergebnis erzielt. Auch aus diesem Grund sollten Sie sich nicht irritieren lassen, wenn die Presse mal wieder die Wenigen feiert, die über einen kurzen Zeitraum besser waren als Ihr Portfolio.
- Die Auswahl und Gewichtung der einzelnen Anlageklassen kann somit kurzfristig sehr relevant sein, mittelfristig aber haben ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger einer Anlagenklasse kaum einen Einfluss auf die Performance des Gesamtportfolios. Bernstein (2000, S. 36) meint: ‚If you are off 10% or 20% from what in retrospect turned out to be the best allocation, you have not lost that much’.
- Weil sich die langfristige Rendite eben erst langfristig einstellt, wird auch das ideale Portfolio unter Umständen erst nach Jahren seine Qualität zu erkennen geben. Die ‚optimale’ Rendite fährt also nur derjenige ein, der seine Portfolio-Strategie (seine Anlagen und deren Gewichtung) über viele Jahre diszipliniert beibehält und durch konsequentes Rebalancing das Auf und Ab der Kurse für sich nutzt (dazu später mehr).
Fazit
Gut für Privatanleger: Einfach schlägt kompliziert und teuer!
Wer innerhalb von Anlageklassen diversifiziert, sollte im Zweifel jede Anlage gleich gewichten und somit auf Wetten verzichten. Portfolios, die nicht auf eine bestimmte zukünftige Entwicklung setzen, dürften langfristig dem optimalen Portfolio am nächsten kommen. Denn die größte Gefahr für das Anlageergebnis geht von der (falschen) Prognose zukünftiger Renditen aus.
Lesen Sie weiter:
Intelligentes Indexing - Reserven heben mit den 'richtigen' Indizes
Literaturhinweise
Arshanapalli, B., Coggin, T. D., Nelson, W., 2001, Is Fixed-Weight Asset Allocation Really Better?, Journal of Portfolio Management, 27, S. 27-38.
Bernstein, W., 2000, The Intelligent Asset Allocator, McGraw Hill.
Best, M. J., Grauer, R. R., 1991, On the Sensivity of Mean-Variance-Efficient Portfolios to Changes in Asset Means: Some Analytical and Computational Results, Review of Financial Studies, 4, S. 315-342.
Black, F., Litterman, R., 1992, Global Asset Allocation with Equities, Bonds and Currencies. Working Paper, Goldman Sachs, October 1991.
Campbell, J. Y., Viceira, L. M., 2002, Strategic Asset Allocation: Portfolio Choice for Longterm Investors, Oxford University Press.
Canner, N., Mankiw, G. N., Weil, D. N., 1997, An Asset Allocation Puzzle, American Economic Review, 87, S. 181-191.
DeMiguel, V., Garlappi, L., Uppal, R., 2008, Optimal versus Naive Diversification: How efficient Is the 1/N Portfolio Strategy?, Review of Financial Studies.
Driessen, J., Laeven, L., 2007, International Portfolio Diversification Benefits: Crosscountry evidence from a local perspective, Journal of Banking and Finance, 31, 1693-1712.
Gerke, W., Mager, F., Röhrs, A., 2005, Twenty years of International Diversification from a German Perspective, Schmalenbach Business Review, 57, 86-102.
Huber, C., Kaiser, H., 2003, Asset Allocation für Privatanleger, in Handbuch Asset Allocation, Hrsg.: Dichtl, H., Kleeberg, J. und Schlenger, Ch., H., Uhlenbruch Verlag, S. 623-646.
Hsu, J. C., 2006, Cap-weighted portfolios are sub-optimal portfolios, Journal of Investment Management, 4, S. 1-10.
Jacobs, H., Müller, S., Weber, M., 2008, Wie diversifiziere ich richtig?, August, 12.
Jagannathan, R., Ma, T., 2003, Risk Reduction in Large Portfolios: Why Imposing the Wrong Constraints Helps, Journal of Finance, 58, 1651–1684.
Jun, D., Malkiel, B. G., 2008, New paradigms in stock market indexing, European Financial Management, 14, 118-126.
MacKinlay, A. C., Pastor, L., 2000, Asset Pricing Models: Implications for Expected Returns andPortfolio Selection, Review of Financial Studies, 13, 883–916.
Michaud, Richard O., 1989, The Markowitz Optimization Enigma: Is ‘Optimized’ Optimal?, in: Financial Analysts Journal, Jan/Feb 1989, S. 31-39.
Pastor, L., 2000, Portfolio Selection and Asset Pricing Models, Journal of Finance, 55, 179–223.
Tua, J., Zhou, G., 2011, Markowitz meets Talmud: A combination of sophisticated and naive diversification strategies, Journal of Financial Economics, Volume 99, Issue 1, January 2011, Pages 204-215.
Wang, Z., 2005, A Shrinkage Approach to Model Uncertainty and Asset Allocation, The Review of Financial Studies, 18, 673–705.