Nicht so oft hinsehen…
Und: nur das Gesamtportfolio zählt.
Die Frage, wie häufig man sein Depot beobachten sollte, ergibt sich unmittelbar aus der persönlichen Anlagestrategie. Wer langfristig orientiert ist, und trotzdem wöchentlich oder gar täglich die Kurse verfolgt, gefährdet seinen Anlageerfolg.
Welcher Hausbesitzer käme auf die Idee, täglich oder monatlich den Verkehrswert seiner Liegenschaft zu kontrollieren? Die meisten Hausbesitzer machen dies vielleicht einmal in 10 Jahren, oder gar nur dann, wenn eine Verkaufsabsicht besteht.
Welcher Unternehmer interessiert sich tagesaktuell für deren potentiellen Marktwert seines Unternehmens, solange keine Verkaufsabsicht besteht?
Sie haben einen langfristigen Anlagehorizont. - Warum interessiert Sie der heutige Preis?
Wirklich wichtig ist für Sie alleine der Wert der Anlagen am Ende des Anlagehorizontes. Ja, nicht einmal das: letztlich interessiert Sie alleine der Gesamtwert des Portfolios am Ende des Anlagehorizontes. Denn auf dieses Ziel hin haben Sie Ihre Anlagestrategie ausgerichtet. Zudem zeigt der tagesaktuelle Kurs lediglich den aktuellen Preis - und damit selten den Wert Ihrer Anlagen. Denn der tagesaktuelle Preis ist zuerst einmal von aktuellem Angebot und Nachfrage Ihrer Anlage abhängig. Daher spiegelt der Preis eher selten den wahren Wert der Anlagen wieder.
Die meisten Anleger handeln anders: sie blicken täglich auf den aktuellen Preis ‚ihrer Firma’ – oft mit fatalen Folgen.
Je öfter man hinsieht – um so öfter sieht man einen Verlust.
Wer häufig die Kurse seiner Aktien kontrolliert, sieht meist Verluste. Inzwischen scheint es Konsens zu sein, dass die täglichen Renditen an den Börsen nicht ‚nomalverteilt’ sind: es gibt mehr Tage, die einen Verlust verzeichnen. Dafür sind die Gewinne an den positiven Tagen umso ausgeprägter. Wer häufig die Kurse beobachtet, wird häufig einen ‚schlechten Tag’ sehen.
Ob diese Verteilung der täglichen Renditen für alle Börsen und zu allen Zeiten gilt, scheint noch nicht gesichert zu sein. Doch selbst wenn es genauso viele gute wie schlechte Tage an der Börse gäbe, bleibt die Erkenntnis der Behavioural Finance Forschung, dass Verluste etwa doppelt so stark schmerzen, wie gleich hohe Gewinne (vgl. Kapitel ‚Die wichtigsten psychologischen Fallen’). Die emotionale Bilanz aller Beobachtungen ist somit meist negativ. Und eine vermeintliche ‚Underperformance’ kann der Mensch nur ganz schwer ertragen. Der ‚Druck’ zu handeln nimmt zu, in der Regel mit fatalen Folgen.
Ein optimales Portfolio zeigt immer auch Verlierer bzw. Underperformer
Ein optimiertes Portfolio besteht aus Anlagen, die möglichst wenig miteinander korrelieren, oder sogar negativ miteinander Korrelieren: steigt die eine Anlage, bleibt eine andere Anlage zurück oder entwickelt sich sogar negativ. Es war also geradezu das Ziel der Portfolio-Optimierung, nicht immer nur ‚Gewinner’ im Portfolio zu haben, sondern jederzeit auch einige ‚Verlierer’, bzw. Anlagen, die sich gerade schwächer entwickeln. Erinnern Sie sich: die Verlierer von heute, werden die Gewinner von morgen sein, und umgekehrt. Am Ende gilt: Die Mischung macht’s.
Beobachten Sie in erster Linie den Gesamtwert Ihres Portfolios.
Menschen unterliegen dem psychologischen Phänomen des ‚Mental Accounting’, einer mentalen Buchführung. Damit es einfacher wird, Sachverhalte zu beurteilen, unterteilt das menschliche Gehirn Finanzangelegenheiten in einzelne Konten. Zudem werden die Konten meist so geschnitten, dass Entscheidungen sich als möglichst positiv erweisen (vgl. Kapitel ‚Die wichtigsten psychologischen Fallen’).
Mentaler Kontenbildung unterliegen Menschen gerade auch hinsichtlich ihres Depots: sie wissen meist genau, ob sich Wertpapier A oder B gerade im Plus oder Minus befindet. Dagegen haben Anleger erhebliche Schwierigkeiten, die Gesamtrendite des Portfolios einzuschätzen. Was ist passiert: man hat mentale Konten für jedes einzelne Wertpapier eingerichtet, beobachtet und bewertet nun die Entwicklung jeder einzelnen Anlage. Dass sich aus diesem Prozess früher oder später Handlungen aufdrängen, z.B. vermeintliche Fehlentscheidungen zu korrigieren, ist naheliegend und zugleich verhängnisvoll. Schließlich hat man das Portfolio ja so zusammengestellt, dass die einzelnen Anlagen möglichst schwach miteinander korrelieren.
Tipp
Es ist oft nicht einmal einfach, den Gesamtwert des Portfolios zu verfolgen. Geld bzw. Wertpapiere sind ggf. auf mehrere Banken und Depots verteilt. Zuflüsse, d.h. Sparbeträge, und Abhebungen (z.B. für Anschaffungen) müssen herausgerechnet werden, um die Gesamtrendite der Anlagen beurteilen zu können. Depotstatistiken der Banken leisten dies nicht.
Legen Sie in Excel eine eigene Tabelle an, in der Sie jährlich den Finanzstatus erheben. Am besten, sie merken sich hierfür einen festen Termin vor (Weihnachten, Neujahr, … wann immer Sie die Zeit finden; ggf. zusammen mit dem Rebalancing,…). Siehe auch -> Der Vertrag mit mir selber.
Wer von seiner Anlage-Strategie abweicht, verliert.
Es liegt nun einmal in der Natur der Sache, dass sich langfristige Renditen einer Anlageklasse oder eines Anlagesegmentes eben erst langfristig einstellen. Kurzfristig kann es ganz anders aussehen. So haben wir gesehen, dass Nebenwerte (Small Caps) und Substanzwerte (Value-Aktien) nicht immer höhere Renditen erzielen, aber doch über längere Zeiträume betrachtet. Selbst die Überrendite von Aktien gegenüber Anleihen, das Unternehmer-Premium, tritt zeitlich konzentriert auf. So berichtet Layard-Liesching (2003) dass sich in den letzten 30 Jahren der Renditevorteil amerikanischer Aktien gegenüber amerikanischen Anleihen in weniger als 5% der Monate einstellte. Wer in diesen Monaten nicht im Aktienmarkt engagiert war, hat die Aktienrendite nicht realisiert.
Die historische Entwicklung der Renditen der einzelnen Anlageklassen zeigt somit, dass nicht einmal die Jahresscheibe angemessen ist, über die Qualität eines Portfolios zu urteilen. Wie wir gezeigt haben, fährt die Risikoprämie bei Aktien nur der längerfristig orientierte Anleger ein.
Fazit
- Bei langfristigem Anlagehorizont ist es völlig ausreichend, einmal jährlich die Depotentwicklung zu beobachten. Wer häufiger beobachtet (z.B. quartalsweise) sollte sich des psychologischen ‚Drucks’ bewusst sein, den er dadurch selber erzeugt.
- In einem gut diversifizierten Depot ist alleine die Entwicklung des Gesamtwertes entscheidend (nicht die Entwicklung einzelner Positionen).
- Auch wenn man die Performance eines Depots im 12-Monatsrhytmus verfolgt, sollte man die Qualität eines Portfolios nicht unter 5, besser erst nach 10 Jahren, beurteilen (und die Strategie so lange stur beibehalten). So lange braucht es mindestens, bis die Aktienmärkte zumindest einen kompletten Zyklus durchlaufen haben.
- Wer von seiner Anlage-Strategie abweicht, hat gute Chancen, sein Ziel nie zu erreichen.
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Literaturhinweise
Aparicio, F., Estrada, J., 1997, Empirical Distribution of Stock Returns: Scandinavian Securities Markets 1990-1995, DSEDB at Carlos III University (Madrid), April.
Mandelbrot, B., 1963, The Variation of Certain Speculative Prices, Journal of Business,
36, S. 394-419.
Fama, E., 1965, The Behavior of Stock Market Prices, Journal of Business, 38, S. 34-105.
Layard-Liesching, 2003, Risk Based Asset Rebalancing, in Dichtl, H., Kleeberg, L., Schlenger, Ch., Handbuch Asset Allocation, Uhlenbruch, S. 344
Egan, W., 2007, The Distribution of S&P 500 Index Returns, Dissertation, Jan. 6.