Small Cap Premium, der Größen-Effekt
Die Small-Large Strategie (auch Size-Effekt genannt) beruht auf der Beobachtung, dass Aktien von Unternehmen mit geringem Börsenwert (Small Caps, kleine Unternehmen) eine höhere Rendite erzielen, als große Unternehmen. Small Caps können in einem größeren Depot einen wertvollen Diversifizierungsbeitrag leisten.
Small Cap Premium – empirische Ergebnisse
Banz (1981) hat als erster gezeigt, dass kleine Aktien eine Überrendite gegenüber Aktien größerer Unternehmen erzielen. Der Größen- Effekt verlaufe dabei nicht linear über alle Größenklassen: am stärksten ausgeprägt ist der Effekt bei kleinen Unternehmen; weniger groß sei der Unterschied zwischen mittelgroßen und großen Unternehmen.
Das Small Cap Premium wurde seitdem in zahlreichen Studien und in nahezu jedem Markt bestätigt (für Deutschland z.B. Stehle (1997)). Trotzdem scheint die Unsicherheit groß: Small Caps erzielen nicht zu jeder Zeit eine Überrendite gegenüber Large Caps, ja, sie haben oft über Jahre hinweg einen Renditenachteil erlebt um diesen dann innerhalb weniger Jahre wiederum in einen Vorteil umzukehren. Zudem gibt es Hinweise, dass kleine Unternehmen mal im Aufschwung, mal im Abschwung bessere Renditen liefern als der Gesamtmarkt. Es scheint keinerlei klares Muster für den Small-Cap Effekt zu geben.
Von Small Caps sollte aber auf jeden Fall ein interessanter Diversifikationseffekt in einem weltweit diversifizierten Portfolio ausgehen (vgl. Petrella (2003), Guidolin (2005)), da die Geschäftsentwicklung kleiner Unternehmen weniger mit der globalen Konjunktur korreliert, als die der internationalen Konzerne.
Warum kleine Unternehmen mittelfristig eine höhere Rendite erzielen
Die Ursache für die periodisch auftretenden Überrenditen kleinerer Unternehmen scheinen noch kontroverser zu sein, als die Gründe für das Value-Premium. Es scheint nicht einmal eindeutig, ob die Überperformance mit einer höheren Varianz (Schwankungsbreite der Renditen) einhergeht (vgl. Guidolin (2005)).
Einigermaßen plausibel erscheinen Erklärungen, die auf die Zusammensetzung der Indizes abheben: da die meisten Indizes kapitalmarktgewichtet sind, ist ein hoher Unternehmenswert geradezu Voraussetzung, um in den nächst höheren Index aufzusteigen. Meist kommen die Unternehmen schon relativ ‚teuer’ im höheren Index an, was den zukünftigen Wertzuwachs im ‚größeren’ Index mindert. Von dem Wertzuwachs der Aufsteiger hat aber auf jeden Fall das darunter liegende Segment profitiert, wo sich ein großer Teil Wertzuwachses vollzogen hat.
Auch verhaltenstheoretisch lässt sich der Small Cap Effekt erklären, beispielsweise durch die Informationsverfügbarkeit: Medien berichten mehr über die allseits bekannten ‚Blue Chips’. Nebenwerte stehen weniger im Interesse der Anleger, sind daher tendenziell günstiger bewertet.
Zudem wählen Anleger eher die Titel, von denen sie meinen, sie besser einschätzen zu können. Viele Anleger werden sich wohl eher trauen, die Chancen und Risiken von VW oder Daimler Benz einschätzen zu können, als von Gildemeister, Stratec oder Morphosys.
Vom Small Cap Effekt im privaten Depot profitieren
Trotz dieser unsicheren Lage lassen sich gleich mehrere Gründe ableiten, warum Small Caps in einem Portfolio sinnvoll sein können:
- Ein wesentlicher Teil des Erfolges der Asset Allocation ist durch den Size-Effekt bestimmt (vgl. 3-Faktorenmodell, Fama/French). Anleger, die nicht Wetten wollen, decken alle 3 Dimensionen der Portfolio-Renditen ab: den Markt, den Value/Growth- und den Size-Effekt.
- Gerade die ‚Unzuverlässigkeit’ (pro-zyklisch?, anti-zyklisch?...) des Auftretens der Small-Cap Renditen kann einen interessanten Diversifizierungseffekt für das Portfolio haben.
- Die Überrendite für Small Caps ist langfristig und für viele Märkte nachweisbar. Allerdings gehört Geduld und Disziplin dazu, die Rendite auch tatsächlich einzufahren: Durststrecken, ggf. über Jahre aussitzen und darauf warten, bis die Extra-Rendite bei einem ‚vorbeikommt’. (siehe auch: der Vertrag-mit-mir; konsequentes Rebalancing)
- Da marktbreite Indizes die Lage Caps tendenziell bevorzugen (jedes Unternehmen ist im Index mit einem Börsenwert gewichtet), können separate Positionen in Small Caps dem entgegenwirken (vgl. hierzu Indizes; intelligent Indexing).
- Small Cap Indizes sind für viele Märkte weltweit und kostengünstig verfügbar.
- Als Privatanleger haben Sie gegenüber Fonds einen Vorteil: da der Aktienmarkt für kleine Unternehmen wenig liquide ist (wenige Aktien, wenig Handel), beeinflussen größere Aufträge die Kurse entsprechend deutlich (market impact cost): der eigene Kauf-Auftrag des Fonds lässt den Kurs steigen noch während die Aktien durch den Fonds erworben werden, ein großer Verkaufsauftrag lässt den Kurs sinken noch während die Aktien verkauft werden sollen. Ein guter Teil der Rendite wird durch eigenes Handeln zunichte gemacht. Es ist daher umstritten, ob große Fonds und institutionelle Anleger überhaupt in Small Caps investieren können.
- Auch das Segment der Small Caps lässt sich lohnender mit Index Funds abdecken, als mit aktiven Mandaten (vgl. Ennis/Sebastian (2002)).
Auch hier wiederum der Hinweis, dass das, was ‚kleine’, mittelgroße und große Unternehmen sind, letztlich von der Definition des jeweiligen Indexanbieters und dem jeweiligen Markt abhängt. Es empfiehlt sich daher, die zur Verfügung stehenden Small- und Mid-Cap -Indizes genauer auf ihre Eigenschaften zu überprüfen (vgl. Kapitel ‚Den richtigen Index wählen’).
Literaturhinweise
Banz, R., 1981, The Relationship between Returns and Market Value of Common Stock, Journal of Financial Economics, Vol. 9, S. 3-18.
Chan, K., Chen,N., Nsieh, D., 1985, An Exploratory Investigation of the Firm-Size Effect, Journal of Financial Economics 14, S. 451 - 471.
Ennis, R. M., Sebastian, M. D., 2002, The Small-Cap Alpha Myth, The Journal of Portfolio Management Spring, Vol. 28, No. 3, S. 11-13.
Fama, E., French, K., 1992, The Cross-Section of Expected Stock Returns, Journal of Finance 47, 2, S. 427-465.
Fama, E., French, K., 1995, Size and Book-to-Market Factors in Earnings and Returns, Journal of Finance 50, 1, S. 131-155.
Fama, E., French, K., 1998, Value versus Growth: The International Evidence, Journal of Finance 53, S. 1975-1999.
Fama, E. Jr., 1998, Asset Management: Engineering Portfolios for Better Returns, PTC Publishing.
Petrella, G., 2003, Are Euro Area Small Cap Stocks an Asset class? Evidence from Mean-Variance Spanning Tests, Working Paper.
Stehle, R., 1997, Der Size-Effekt am deutschen Aktienmarkt, Zeitschrift für Bankrecht und Betriebswirtschaft, Vol. 9, S. 237-260.
Guidolin, M., Nicodano, G., 2007, Small Caps in International Equity Portfolios: The Effects of Variance Risk, Working Paper 41/05.