Was ist Risiko? Über Risiko
Risiko ist alles, was eine Abweichung zum Ziel verursachen kann. Was als Risiko empfunden wird, ist immer subjektiv: geprägt durch unser Wesen, unsere Erziehung, unsere Erfahrungen und unser Wissen bzw. unsere Bildung. Wenn wir über Risiko nachdenken, betrachten wir unsere eigenen Ängste. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: die subjektive Risikowahrnehmung und die persönliche Risikotoleranz.
Risiko ist immer subjektiv – ein Gefühl.
In der scheinbar komplexen Welt der Geldanlage entscheiden sich viele Anleger, genau genommen sogar die meisten Anleger, für den vermeintlich sicheren Weg: eine große Bank, die sicherste Anlageform, - und erhalten im Gegenzug den klein(st)en Zins. Andere Anleger, zugegeben eine Minderheit, sehen gerade in diesem Weg die größten Risiken: den sichersten Weg in den langfristigen Ruin, da der Zins oft nicht einmal den Kaufkraftschwund durch Inflation ausgleicht.
Die ältere Generation wiederum, die nach den beiden Weltkriegen erleben musste, wie sich Lebensversicherungen durch Hyperinflation in Luft auflösten, dürften das Risiko einer privaten Altersvorsorge durch Lebensversicherungen anders bewerten, als jüngere Personen ohne eine solche Erfahrung. Seit 2008 wurde unsere kollektive Wahrnehmung von Risiko durch zahlreiche neue Erfahrungen geprägt, dem Börsencrash, der Pleite von Lehman Brothers und der isländischen IceBank, denen auch hierzulande viele Sparer ihr Geld anvertrauten, der Erfahrung, dass selbst Banken sich untereinander kein Geld mehr leihen, dem Schuldenschnitt bei griechischen Staatsanleihen, die vor nicht allzu langer Zeit noch als sichere Papiere galten… . Das ‚kollektive Lernen’ dürfte damit noch lange nicht abgeschlossen sein.
Risiko ist also immer etwas subjektives: geprägt durch unser Wesen, unsere Erziehung, unsere Erfahrungen und unser Wissen bzw. unsere Bildung. Wenn wir über Risiko nachdenken, betrachten wir unsere eigenen Ängste.
Wir müssen uns dessen bewusst sein: es sind immer unsere eigenen Gedanken die bestimmen, was wir als Risiko ansehen, wie wir Risiken bewerten und damit umgehen. Die gute Nachricht ist: ‚Gefühle sind lernfähig! … Ohne lernfähige Gefühle würden Erwachsene in allen Situationen wie Kleinkinder reagieren und entscheiden. Überall herrschte Mord und Totschlag!’ (Precht, 2007, S. 323). Wir sind einerseits gefangen in unserer Person und Lebenserfahrung, haben aber sehr wohl die Möglichkeit, uns weiter zu entwickeln und unseren Spielraum auszuweiten.
Um das Thema handhabbar zu machen ist es ist hilfreich, zwei Aspekte zu unterscheiden: die subjektive Risikowahrnehmung und die persönliche Risikotoleranz.
Risikowahrnehmung und Risikotoleranz
Die Risikowahrnehmung betrachtet: was empfinde ich als Risiko? Welches Risiko fürchte ich (am meisten)? Wie hoch schätze ich das Risiko ein (subjektive Eintrittswahrscheinlichkeit)? Die einen empfinden Sport als Risiko für die Gesundheit und denken an Sportunfälle und vorzeitigen Verschleiß durch Überlastung; andere sehen ein gesundheitliches Risiko gerade darin, keinen Sport zu treiben.
Bei der Risikotoleranz geht es um ihre persönliche Einstellung zum (finanziellen) Risiko. Selbst wenn ein bestimmtes Risiko von verschiedenen Personen gleich wahrgenommen wird, mag der eine bereit sein das Risiko einzugehen, der andere nicht.
Wir meinen: Die Risikowahrnehmung zu verbessern ist hilfreich, weil es zu besseren, bewußteren Entscheidungen führt. Wir laden Sie ein, die eigene Risikowahrnehmung kritisch zu überprüfen. Neue, unter Umständen nicht erkannte oder unterschätzte Risiken werden ins Bewusstsein gerufen.
Die Risikotoleranz ist schlicht zu respektieren. Hier können wir nur helfen, die persönliche Risikotoleranz zu erkennen und dann das notwendige Wissen anbieten, um die Vermögensanlage entsprechend zu strukturieren.
Risikowahrnehmung – welches Risiko fürchten Sie am meisten?
Risiko ist alles, was eine Abweichung vom Ziel verursachen kann. Mit Bezug zu Ihrem persönlichen (Lebens-) Ziel spricht vieles dafür das Risiko am meisten zu fürchten, welches Ihren Lebenstraum, Ihr finanzielles Ziel, am stärksten gefährdet.
Der Begriff ‚Risiko’ in der Anlageberatung
Die Anlageberatung definiert Risiko meist als das Risiko von Wertschwankungen. Noch genauer: das Risiko der unsteten Entwicklung der Renditen. Dies ist einerseits verständlich, denn viele Anleger wollen Ihr Geld ‚sicher’ anlegen. Da zudem wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass Verluste emotional doppelt so stark schmerzen, wie gleich hohe Gewinne, wird ‚Sicherheit’ oft gleichgesetzt mit ‚wenig Wertschwankungen’. Die persönliche Toleranz gegenüber Wertschwankungen ist zweifelsohne wichtig und wird im Kapitel ‚Risikotoleranz – welche Wertschwankungen stehe ich durch?’ näher betrachtet.
Doch es gibt zahlreiche weitere Risiken, die Ihr (Lebens-) Ziel unter Umständen deutlich stärker gefährden können, als Wertschwankungen, die in einem gut diversifizierten Portfolio zudem meist von vorübergehender Natur sind.
Risiko bei der Geldanlage - Strategien des Risiko-Managements
Hier ein Überblick über verschiedene Risiken, die Ihr persönliches Lebensziel gefährden können, und wie man das jeweilige Risiko adressieren kann:
Kaufkraft-Risiko: bezeichnet das Risiko, sich in Zukunft weniger leisten zu können, als erwartet; d.h. das Risiko, einen realen Verlust zu erleiden, obwohl das Vermögen absolut gesehen unter Umständen konstant oder sogar gewachsen ist. Kaufkraftverlust entsteht, wenn die Preise schneller steigen, als das Vermögen wächst (Inflation > Rendite).
Anleger adressieren dieses Risiko durch Investments in Anlagen, die bei Inflation typischer Weise an Wert gewinnen, z.B. auch inflationsindexierte Anleihen.
Rendite-Risiko: bezeichnet das Risiko, dass die Rendite nicht ausreicht, ein bestimmtes Zielvermögen zu einem bestimmten Termin zu erreichen (z.B. die Summe zu erreichen, die zur Absicherung einer auskömmlichen Rente erforderlich wäre).
Anleger, die ‚sicher’ anlegen wollen und deshalb ihr Geld ‚unter der Matratze’ oder auf dem Giro-Konto aufbewahren, unterliegen diesem Risiko besonders.
Management-Risiko: bezeichnet das Risiko, dass Fonds- und Vermögensverwalter eine unterdurchschnittlichen Wertentwicklung erzielen, weil der Fondsmanager bzw. Anlageberater ‚sein Geld nicht wert ist’. Jeder aktiv agierende Fonds hat dieses Risiko.
Zum Management-Risiko gehört auch das Berater-Risiko, dass Ihnen überteuerte Produkte ‚verkauft’ werden, d.h. Produkte mit hohen Gebühren – denn schließlich lebt die Bank, die Versicherung, der Berater von Ihren Provisionen und Gebühren.
Man minimiert dieses Risiko, indem man kostengünstig in Index-Fonds investiert und das Management des Vermögens darauf beschränkt, die Portfolioallokation auf Kurs zu halten (siehe Rebalancing’).
Risiko des ‚Blinden Flecks’: bezeichnet das Risiko, Risiken gar nicht zu erkennen oder abschätzen zu können, z.B. weil ein Risiko nicht bewusst ist, weil die Dinge zu kompliziert sind; weil man gar nicht versteht, wie das Geld tatsächlich angelegt ist; weil ‚Produkte’ zu undurchsichtig sind.
Anleger folgen einfachen, verständlichen Regeln und bevorzugen transparente Anlagen; sie investieren nur in Anlagen, die sie selber verstehen.
Das Marktrisiko: beschreibt das Risiko der Märkte, insbesondere aus den schwankenden Marktrenditen der Aktienmärkte, auch systemisches Risiko genannt.
- Verlusthöhe: ängstigt wirklich jeder, noch so kleinen (Wert-)Verlust und soll daher ausgeschlossen werden? Oder geht es um das Risiko eines Verlustes, der über einen noch akzeptablen Verlust hinausgeht? Oder ist es (lediglich) das Risiko eines Totalverlustes, welches ausgeschlossen wenden soll?
- Verlustdauer: stört ein Verlust ggf. erst, wenn er über mehrere Jahre besteht? Oder geht es gar alleine darum, am Ende des Anlagehorizontes einen Verlust zu vermeiden?
- Verlusttermin: In einem bestimmten Ziel-Jahr keinen Verlust zu erleiden, z.B. weil man genau dann ein Darlehen tilgen muss.
Maximale Verlustdauer, Verlusthöhe sowie Ertragssicherheit zum Zieltermin steuern Anleger im Wesentlichen über die Aufteilung des Vermögens auf Anleihen und Aktien sowie ggf. weiterer Anlageklassen.
Emittentenrisiko: bezeichnet das Risiko, dass der Schuldner, dem man sein Geld geliehen hat (Staat, Unternehmen, Bank), dieses bei Fälligkeit nicht mehr zurück zahlen kann.
Geschäftsrisiko: bezeichnet das Risiko, in ein Unternehmen mit schlechten Zukunftsaussichten zu investieren.
Im Vergleich zu Einzelanlage minimieren Anleger das Emittenten- und Geschäftsrisiko durch eine breite Streuung der Anlagen, z.B. durch Investitionen in marktbreite Indizes.
Risiko analysieren, Risiko objektivieren
Einige Risiken lassen sich beispielsweise hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit objektivieren, andere bleiben auch bei größter Mühe subjektive Einschätzungen.
Die Standardabweichung als Maß für die Eintrittswahrscheinlichkeit von Wertschwankungen haben wir ja bereits kennengelernt (vgl. Der Charakter der Anlageklassen). Ebenso ist das Management-Risiko eines aktiven Fondsinvestments bestimmbar: 80% der Anlageberater und Fondsmanager kosten den Anleger mehr Geld, als sie durch ihr Wirken an Rendite erzielen (vgl. Investmentfonds sind Ihr Geld nicht wert). Rating-Agenturen versuchen das Risiko von Anleihen zu objektivieren. Doch gelingt es ihnen tatsächlich, eine zuverlässige Prognose über die Zahlungsfähigkeit eines beliebigen Staats in 30 Jahren zu machen, wie z.B. bei 30-jährigen Staatsanleihen? Das Risiko einem Anlagebetrüger aufzusitzen, wird von Anlegern in der Regel überhaupt nicht berücksichtigt.
Damit kommt der Erkenntnis der Anlegerlegende W. Buffet besondere Bedeutung zu: dass Risiko vor allem dann entsteht, wenn man nicht ganz genau weiß, was man tut.
Fazit
- Was wir als Risiko bei der Geldanlage wahrnehmen ist immer subjektiv, nie komplett, und verändert sich zudem im Zeitablauf – das gilt auch für Finanz-Experten. Die Wahrnehmung ist geprägt durch Erfahrungen, Bildung, das Umfeld, beispielsweise auch die Berichterstattung in den Medien. Risiko managen beginnt somit bei der eigenen Person: erkennen, dass die eigene Risikowahrnehmung unzulänglich ist. Gerade derjenige, der alle Risiken meiden möchte und Geld nur ‚ganz sicher’ anlegt, sollte sich seiner unzulänglichen Wahrnehmung von Risiken bewusst sein.
- Das Risiko, welches das persönliche Ziel am stärksten gefährdet, sollte man am meisten fürchten - und durch entsprechende Maßnahmen adressieren. Wertschwankungen der Anlagen bzw. des Portfolios sind kein unbedeutendes Risiko, für viele Anlageziele dürfte dies aber nicht das Hauptrisiko sein. Einerseits heilt die Zeit vieles, andererseits lassen sich durch geschickte Kombination von Anlageklassen (diversifizieren) die Schwankungen dämpfen.
- Machen Sie nur das, was Sie selber verstehen. Gerade private Anleger sollten das Risiko nicht unterschätzen, dass man gar nicht so genau weiß, was andere mit seinem Geld tun. Das Gefühl, sein Geld ‚in gute Hände’ gelegt zu haben, bleibt ein Gefühl, - welches trügerisch sein kann. Wer meint, zu wenig von ‚diesen Dingen’ zu verstehen, oder keine Lust hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen, muss schlicht noch einfacher anlegen. Dass man einfach, transparent und trotzdem rendite-effizient anlegen kann, wollen wir mit dem Konzept ‚Geld anlegen ohne Wetten’ zeigen.
Weiter zum nächsten Kapitel:
Das investierbare Vermögen - sich eine finanzielle Basis schaffen
Oder das Thema weiter vertiefen:
Überprüfen: Ist auch Ihre Risikowahrnehmung geprägt durch den Markt?
Risiko managen - Durch Anlagekongruenz bzw. Risikokongruenz.