Warum Asset Manager den Markt nicht nachhaltig schlagen können
Selbst professionelle Vermögensverwalter und Fondsmanager (engl. Asset Manager) schaffen es anscheinend nicht, systematisch besser zu sein als der Markt und so einen Mehrwert für den Kunden zu erwirtschaften (siehe vorheriges Kapitel: Investment- Fonds vergleichen - Fonds sind oft Ihr Geld nicht wert). Wenn es trotz aller Anstrengungen nicht gelingt Überrenditen nachhaltig zu erzielen, muss dies im System selber begründet sein. Erkenntnisse der Kapitalmarkttheorie und der Behavioral Finance Forschung erklären dieses Phänomen plausibel.
Dies ist zunächst einmal erstaunlich, gelingt es dem Asset Management doch seit Jahren, mit ordentlichen Gehältern und noch besseren Boni die fähigsten Investment-Manager an sich zu binden. Auch der Aufwand hinsichtlich Research, Analyse und IT-Kapazitäten sollte sich im Vermögens- und Fonds-Management eigentlich auszahlen. Aber selbst eine recht einfache Betrachtung zeigt bereits, dass kein Asset Manager erwarten kann, dauerhaft besser zu sein als der Marktdurchschnitt.
1. In der Summe sind alle Anleger selber der Markt
Im Vergleich zum Durchschnitt können nur 50% der Fonds- und Asset Manager besser sein, und 50% müssen ein schlechteres Anlageergebnis erzielen. Denn genau so ist der Durchschnitt definiert. Ein Beispiel: auch wenn sich 80% der Autofahrer als ‚überdurchschnittlich gut’ einschätzen, so können nur max. 50% eine zutreffende Einschätzung abgegeben haben. Wenn also 100% der Fondsmanager und Vermögensverwalter anstreben, ihren Vergleichsindex zu schlagen, wissen Sie schon heute, dass die Hälfte scheitern muss.
Man kann auch sagen: Jeder Überrendite, die ein Marktteilnehmer im Vergleich zum Durchschnitt zu erzielen vermag, steht eine entsprechende Minderrendite eines anderen Teilnehmers gegenüber. Die Summe aus Überrenditen und Minderrenditen gegenüber dem Durchschnitt, auch Marktrendite genannt, ist Null, ein Nullsummenspiel. Sind Gewinne und Verluste symmetrisch um die durchschnittliche Marktrendite verteilt, sollten ca. 50% Gewinnern auch 50% Verlierern gegenüberstehen.
Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Kosten des Vermögensmanagements das Anlageergebnis belasten, so sinkt der Anteil der Fondsmanager, die nach ihren Kosten noch eine Rendite über dem Marktdurchschnitt erzielen, deutlich unter 50%. Beispiel: Bei einer Kostenquote von 2% erzielen nur diejenigen Fondsmanager einen Mehrwert für den Anleger, deren Anlageergebnis die Marktrendite um mehr als 2 Prozentpunkte übertrifft – Jahr für Jahr! Wenn man weiter annimmt, dass sich Fonds die wenigen, überdurchschnittlich guten Jahre auch überdurchschnittlich honorieren lassen (z.B. über erfolgsabhängige Gebühren), dürfte sich die Quote derer nochmals reduzieren, die über mehrere Jahre für den Anleger einen Mehrwert nach Kosten erzielen.
Vor diesem Hintergrund darf das Ergebnis empirischer Studien nicht verwundern: nur ca. 20% aller Fonds erzielen nach Kosten eine Rendite über dem Marktdurchschnitt. Das bedeutet umgekehrt, dass ca. 80% aller Investment-Fonds den Anleger mehr kosten, als sie an Mehrwert erzielen.
Da Indexfonds kostengünstig den Markt abbilden, garantieren sie grundsätzlich die durchschnittliche Performance des Marktes; man verzichtet auf die geringe Chance einer Überrendite, meidet allerdings die hohe Wahrscheinlichkeit einer Minderrendite.
Nun wäre es natürlich toll, wenn man als Anleger treffsicher in die Fonds investieren könnte, die Überrenditen erzielen. Noch besser: wenn man in die Top 3 Fonds investieren könnte, – denn diese Fondsmanager und Vermögensverwalter scheinen ihr Handwerk ja zu verstehen. Dazu müsste es aber möglich sein, schon heute die Top-Fonds der Zukunft zu erkennen. Dass dies leider nicht möglich ist, zeigen die nächsten Erkenntnisse.
Exkurs
- Die Theorie Effizienter Märkte -
In einem effizienten Markt spiegeln sich alle öffentlich zugänglichen Informationen und die Erwartung aller Marktteilnehmer unmittelbar im Preis der Anlagen wieder (Efficient Market Hypothesis, EMH). Paul Samuelson und Eugene Fama haben 1965 diese Hypothese unabhängig voneinander und aus unterschiedlichen Ansätzen heraus entwickelt und damit die Sozialwissenschaften ganz wesentlich beflügelt. Die beschriebene Markt-Charakteristik entsteht zwangsläufig, je mehr aktive Marktteilnehmer danach streben, aus ihren Informationen und Einschätzungen Profit zu schlagen. In hocheffizienten Märkten nutzt eine Heerschar von Renditejägern jeden noch so kleinen Informationsvorsprung, handelt, und sorgt so dafür, dass die Renditechance schnell wieder verschwindet, da der (neue) Preis nun wieder alle verfügbaren Informationen und Einschätzungen widerspiegelt.
Heute geht man allgemein davon aus, dass die Märkte graduell effizient sind. So wie Häuser oder Kühlschränke unterschiedlich energieeffizient sind, so können auch Märkte graduell unterschiedlich effizient sein. Je mehr Marktteilnehmer einen Markt bzw. ein Wertpapier beobachten, je schneller Informationen allen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen und von diesen verarbeitet werden (Informationseffizienz eines Marktes), je geringer die Transaktionskosten sind – um nur drei Kriterien zu nennen, um so effizienter sollte der Markt funktionieren. Und je effizienter der Markt, um so unwahrscheinlicher dürfte es sein, dass eine ‚Fehlbewertung’ tatsächlich eintritt bzw. lange unentdeckt bleiben würde. Sofort würden Käufer/ Verkäufer auftreten, die mit ihren Aufträgen die Unter- bzw. Überbewertung abbauen oder gar ganz beseitigen.
Marktineffizienzen, d.h. ‚Fehlbewertungen’, sollten daher vor allem auf Märkten vorkommen, die nicht im Zentrum des Interesses vieler Anleger stehen. Der Markt für amerikanische Aktien oder deutsche Staatsanleihen dürfte demnach äußerst effizient sein, der Markt für Oldtimer oder Kunstgemälde dagegen eher weniger effizient.
- Wie effizient sind Märkte wirklich? -
An den obigen Kriterien gemessen, dürften viele Märkte in den letzten Jahrzehnten deutlich effizienter geworden sein: durch die Computerisierung und das Internet stehen heute jedem Informationen in einem Umfang zur Verfügung, die früher eher einem relativ kleinen Kreis von Börsianern vorbehalten waren; die Transaktionskosten sind gesunken und fallen weiter. In Summe ist die Zahl und das Volumen aller Transaktionen gewaltig gestiegen. Deutlich schneller, als dies durch das das Wachstum der Realwirtschaft zu erklären wäre.
Das streben danach, der erste zu sein, der Informationen am Markt zu Käufen/Verkäufen nutzt, treibt an den Börsen teilweise exzessive Blüten. Computer müssen heute möglichst nahe am Zentralrechner der Börsen aufgestellt werden, um die Übertragungszeiten auf Bruchteile einer Sekunde zu reduzieren. Andere Marktteilnehmer lassen neue Presse-Meldungen von Programmen nach Schlagworten durchsuchen und innerhalb von Millisekunden in Orders umsetzen – noch bevor andere Marktteilnehmer diese überhaupt haben lesen können.
Andererseits wird der Theorie Effizienter Märkte immer wieder die Erkenntnis der Behavioral Finance Forschung entgegen gehalten, dass sich der Mensch eben nicht so rational verhält, wie es die EMH angeblich unterstellt. Dies würde durchaus zu ‚Fehlbewertungen’, zu Marktineffizienzen führen. Die Befürworter der EMH entgegen wiederum, dass es dieses ‚irrationale’ Verhalten zwar sehr wohl gäbe, andere Marktteilnehmer dies aber durchaus erkennen und durch entsprechendes Handeln eine Fehlbewertung rasch beseitigen. Beispielsweise haben sich ganze Branchen, wie z.B. Hedge-Funds, auf die (Aus-) Nutzung kleinster Bewertungsdifferenzen spezialisiert. Banken bieten beispielsweise ‚Garantie-Produkte’ an, mit denen sie prächtig an der Risikoscheu vieler privater Anleger verdienen.
Selbst wenn Märkte auch nur einigermaßen effizient sind, und vieles spricht dafür, dass die Märkte, die für uns Privatanleger relevant sind, dies sind, dann hat dies weitreichende Konsequenzen für die Möglichkeit, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen.
2. Erfolgreiche aktive Vermögensmanager müssen Marktineffizienzen entdecken und ausnutzen
Um Überrenditen zu erzielen, muss der Vermögensverwalter bzw. der Manager eines Investmentfonds Papiere finden, die unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen im Vergleich mit anderen Wertpapieren zu billig oder zu teuer bewertet sind und diese entsprechend kaufen bzw. verkaufen. Anschließend hofft er, dass andere Anleger diese ‚Fehlbewertung’ ebenfalls erkennen und ebenfalls kaufen bzw. verkaufen. Übersteigt die Nachfrage nach einer Anlage das Angebot, steigt der Preis: die Unterbewertung wird abgebaut. Gleiches gilt umgekehrt für Verkäufe. Und: Je geringer die Liquidität eines Papiers, desto deutlicher reagiert der Preis auf eine sich verändernde Nachfrage.
- Von Vermögensmanagern in großen Märkten eine Rendite über dem Marktdurchschnitt zu erwarten, ist geradezu naiv. Diese Märkte werden von vielen Marktteilnehmern beobachtet und analysiert, und gelten daher als weitestgehend effizient. Der (erforderliche) Aufwand des Investment-Managements steht in der Regel in keinem Verhältnis zu dem erzielbaren Mehrertrag. Eine Minderrendite nach Kosten ist die logische Konsequenz. Oder anders herum: Der mögliche Ertrag rechtfertigt einfach keinen nennenswerten Aufwand, nur ganz geringe Kosten.
- Je tüchtiger die Vermögensmanager werden und je aufwändiger sie ausgerüstet sind, desto schlechter werden ihre Ergebnisse. Alle Asset-Manager und Analysten stehen in einem permanenten Wettlauf miteinander um Markineffizienzen aufzudecken. Computer-Power ermöglicht es heute, mit immer komplexeren Verfahren der Wertpapieranalyse immer mehr Kennzahlen von immer mehr Wertpapieren in immer kürzerer Zeit zu analysieren. In Summe wächst der von allen ‚Renditejägern’ betriebene Aufwand gewaltig, und damit wachsen die Kosten. Je mehr diese Bemühungen nun Erfolg haben, desto kleiner werden die nutzbaren Ineffizienzen, da diese immer früher aufgedeckt und beseitigt werden. Zudem müssen sich alle ‚Jäger’ die wenigen Ineffizienzen teilen. Also: Je mehr ‚Renditejäger’ sich betätigen, je tüchtiger die ‚Jäger’ und je größer der Aufwand, den sie betreiben, umso sicherer wird das Ergebnis nach Kosten negativ sein.
'Müssten Fondsmanager und Vermögens-verwalter ihre Kosten alleine aus den Überrenditen ihrer Anlageleistung bestreiten, wären fast alle Pleite.' AnlegerCampus Da der Aufwand der Fondsmanager und Vermögensverwalter aber nicht aus Überrenditen finanziert werden muss, dürfte die theoretische Betrachtung von Grossmann/Stieglitz (1980), dass der Aufwand der ‚Renditejäger’ letztlich durch die erzielbaren Überrenditen eine natürliche Grenze findet, in der Praxis vieler Privatanleger nicht greifen. Die Kosten des Vermögensmanagements werden den Anlegern auch dann belastet, wenn keine Überrenditen erzielt wurden.
- Erfolgreichen Fonds ist es kaum möglich, eine in der Vergangenheit erzielte (Über-) Rendite auch in der Zukunft zu erzielen. Erfolgreiche Fonds werden in den Medien gefeiert, gewinnen (Branchen-) Preise und führen die Hit-Listen an. Selbst wenn wir annehmen, dass der Erfolg des Fonds tatsächlich auf besonderen Fähigkeiten des Fondsmanagers beruht und nicht auf reinem Zufall, wird der Fondsmanager den Erfolg der Vergangenheit kaum wiederholen können.
Der Grund: erfolgreiche Fonds werden von neuem Anlegergeld geradezu überflutet. Proportional zu seinem wachsenden Anlagevolumen muss der Fondsmanager nun in kürzester Zeit zusätzliche Marktineffizienzen ‚entdecken’ um seine historische Rendite auch in der Zukunft zu erzielen. Die Menge der Ineffizienzen ist jedoch vom Manager nicht beeinflussbar – und sicher gibt es zu jedem Zeitpunkt eine marktseitige Obergrenze. Doch selbst wenn wir großzügig annehmen, dass der Markt genügend Ineffizienzen bereithalten sollte, müssten die Fähigkeiten des Managers nun unerwartet und sprunghaft wachsen – anderenfalls hätte er ja schon vorher von seinen Fähigkeiten Gebrauch gemacht und sein historisches Ergebnis weiter verbessert. Natürlich wird der Manager alles versuchen, um seine historische Rendite auch künftig zu erzielen und wird hierzu seinen Aufwand weiter steigern. Damit steigen aber vor allem seine Kosten, die er wiederum dem Fondsvermögen belasten wird.
Das bedeutet:
Aktive Vermögensmanager sehen sich ab einem bestimmten Anlagevolumen massiven ‚negativen economies of scale’ gegenüber, d.h. mit zunehmender Fondsgröße wächst der erforderliche Aufwand überproportional wobei nicht einmal gesichert ist, dass der Markt auch hinreichend Ineffizienzen bereithält.
Für den ‚Altanleger’ eines erfolgreichen, aktiv gemanagten Fonds ist diese Entwicklung geradezu tragisch: sobald ‚sein’ Fonds so erfolgreich ist, dass er in den Hitlisten auftaucht, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass ‚sein’ Fonds die besten Zeiten bereits hinter sich hat.
3. Kurse bzw. Renditen entwickeln sich zufällig und unvorhersehbar
Je effizienter ein Markt, umso unvorhersehbarer sind Preisänderungen in diesem Markt. Im effizientesten Markt sind Preisänderungen völlig zufällig und unvorhersehbar. Wenn es keinerlei Informationen gibt, die noch nicht im Preis (Kurs) enthalten sind, gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, die künftige Preisentwicklung zu prognostizieren. Zukünftige Preisentwicklungen sind somit völlig unvorhersehbar.
Zahlreiche empirische Studien belegen, dass Renditen sich zufällig und unvorhersehbar entwickeln (bekannt als Random Walk Hypothese), beispielsweise Cootner (1962, 1964), Fama (1963, 1965), Fama/Blume (1966), Osbome (1959). Sollten Studien mal eine serielle Korrelation nachweisen (Bsp. Fama (1988), Poterba/Sumers (1988)), halten die Ergebnisse einer kritischen Überprüfung meist nicht stand (Kim/Nelsen/Starz (1991), Richardson (1993)).
Wissenschaftler sehen hierin eine Bestätigung, dass Märkte weitestgehend effizient funktionieren (Efficient Market Hypothesis). Denn, je effizienter Märkte funktionieren, umso unvorhersehbarer sind zukünftige Preisentwicklungen.
Die Entwicklung der Kurse scheint dabei nicht einmal von Informationen abhängig zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt Siegel (2002, 2007) nachdem er die 120 Tage mit den größten Kursveränderungen zwischen 1801 und 2001 untersuchte: nur in 25% der Fälle konnte er eine rationale Erklärung ausmachen.
Dies bedeutet wiederum:
Trendmodelle, häufig genutzt im Vermögensmanagement, sind wertlos. Diese Trendmodelle funktionieren nur, wenn es einen Zusammenhang zwischen der Rendite des Tages, der Woche, des Monats mit der Rendite des Vortages, der Vorwoche oder des Vormonats gibt. Statistisch gesehen müssten diese Zeitreihen miteinander korrelieren (serielle Korrelation). Leider tun sie dies nicht (siehe Studien oben). Kurse sind stochastisch unabhängige Ereignisse. Da können die Chart-Bilder in der Rückschau noch so plausible Kursmuster zeigen. Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung erlauben sie nicht. Es gibt nun mal keine ‚Formel’ mit der sich aus der Kursbewegung von heute auf die Kursbewegung von morgen schließen lässt. Derjenige, der sie hätte, wäre so reich, dass er sich nicht mehr um die Anlage Ihres Vermögens bemühen müsste.
- Anlage-Tipps sind wertlos, wie sie beispielsweise in Medien und Börsenbriefen angeboten werden, weil die angebotenen Informationen bereits in den Kursen abgebildet sind. Der ‚heiße Tipp’ ist nun mal kein heißer Tipp mehr, wenn er im Börsenmagazin steht. Dass empirische Studien die Wertlosigkeit von Anlagetipps bestätigen, kann übrigens auch als Beleg gewertet werden, dass Märkte weitestgehend effizient funktionieren. Wertvoll sind lediglich Informationen, die nur einem sehr kleinen Kreis zugänglich sind, z.B. Insiderinformationen. Insider dürfen diese aber weder preisgeben noch zum eigenen Vorteil nutzen.
- ‚Stock-Picking’ und ‚Market Timing’ funktionieren nicht. Egal ob sie sich an fundamentalen Kennzahlen orientieren, oder technische Analysen (interpretieren von Chart-Bildern) heranziehen: fast alle Fondsmanager und Vermögensverwalter bemühen sich (und rühmen sich dafür), die richtige Anlage (‚Stock-picking’) zur richtigen Zeit (‚Market timing’) zu kaufen bzw. zu verkaufen. Oft werden clevere Computer-Algorithmen bemüht, die ‚ganz objektiv’ das Signal für den Einstieg oder Ausstieg geben sollen.
Dass diese Strategien keinen nennenswerten Wertbeitrag erzielen, wies die bahnbrechende Studie von Brinson/Hood/Beebower bereits 1986 nach: das Anlageergebnis hängt fast ausschließlich von der Wahl der Anlageklassen ab. Natürlich wäre es großartig, die richtige Aktie zum richtigen Zeitpunkt zu kaufen bzw. zu verkaufen. Es fehlt dem Asset-Management aber ganz offensichtlich an wirksamen Modellen genau dies zu tun – sonst wäre der gemessene Wertbeitrag dieser Strategien größer. Diese Erkenntnis ist mittlerweile in zahlreichen Studien bestätigt.
‚Stock-Picking’ und ‚Market Timing’, die ‚Erfolgsstrategien’ der Asset-Manager, sind schlicht eine ‚Wette’ auf eine unbekannte Zukunft. Die ‚Wette’ kann aufgehen, aber eben auch daneben gehen. Die Summe aller ‚Wetten’ ist Null, d.h. die Durchschnittsrendite des Marktes. Was auf jeden Fall bleibt und dem Anleger in Rechnung gestellt wird, sind die Kosten des Asset Managements.
4. Was heute funktioniert – funktioniert morgen nicht mehr
Wie wir eben gesehen haben, ist es für erfolgreiche Fonds in effizienten Märkten kaum möglich, die historische Performance auch in der Zukunft fortzuschreiben. Doch es kommt noch schlimmer: De Bondt / Thaler (1985) sowie Chopra / Lakomshok / Ritter (1992) weisen nach, dass die Gewinner (Verlierer) der letzten 36 Monate dazu tendieren, ihre Rendite in den kommenden 36 Monaten umzukehren. ‚Gewinner’ werden zu ‚Verlierern’, ‚Outperformer’ zu ‚Underperformern’ und umgekehrt.
Die Rendite der Anlagen scheint zu ‚wandern’, sich in Zyklen zu bewegen. Malkiel (1973) prägte für die unvorhersehbare Entwicklung der Renditen den Begriff des 'Random Walk' (Irrfahrt).
Hierfür scheint es gleich mehrere Erklärungen zu geben:
Die Kapitalmarktforschung erklärt Rendite-Zyklen zum einen evolutionstheoretisch (vgl. Lo, 2007): eine erfolgreiche Anlageklasse oder eine erfolgreiche Anlagestrategie lockt neue Marktteilnehmer an. Je mehr Renditejäger sich tummeln, umso geringer werden aber die Aussichten jedes einzelnen auf Gewinn. Was in der Vergangenheit funktionierte, funktioniert nun nicht mehr. Gleichzeitig wachsen wiederum die Renditechancen in den ‚vernachlässigten’ Anlageklassen. Die ‚Verlierer’ von heute werden zu den Gewinnern von morgen - und umgekehrt.
Zum anderen verweist die Behavioral Finance Forschung auf menschliche Verhaltensmuster, die zu Übertreibungen an den Märkten führen. Mit der Zeit wird die Übertreibung als solche erkannt und es folgt eine Korrektur der ‚Fehlbewertung’ in Richtung langfristigem Mittelwert (bekannt als ‚mean reversion’, besonders ausgeprägt bei Aktien).
Nun könnte man argumentieren, dass genau dies der Grund ist, einen aktiven Manager zu engagieren, der die Anlagen regelmäßig in die jeweils erfolgversprechendsten Wertpapiere umschichtet. Dies erfordert allerdings, dass man regelmäßig in genau die Anlagen investiert, die gerade schlecht dastehen, die keiner haben will, die für jeden ersichtlich und unstrittig (gerade) ‚Underperformer’ sind. Eine solche Strategie, ‚Contrarien’- Strategie genannt, wettet immer gegen die vorherrschende Meinung, wettet gegen den Markt. Lehmann (1990) zeigt, dass eine solche Strategie fast immer positive Renditen erzielt. Bernstein (2000) argumentiert allerdings nachvollziehbar, dass kaum ein Privat-Anleger und erst recht kein Profi eine solche Strategie wird lange durchhalten können. Prüfen Sie sich selber: würden Sie Ihr Geld einem Manager anvertrauen, der Ihr Geld permanent in die Titel investiert, die alle einvernehmlich für 'Loser' halten? Würde ein angestellter Fondsmanager in Titel investieren, die sein Chef, die Analysten des Hauses und alle Kollegen für ein schlechtes Investment halten - und so seine Karriere riskieren? - Zu groß erscheinen die psychologischen Barrieren, die wir im nächsten Kapitel näher betrachten.
Mit dem ‚Rebalancing’ werden wir in Schritt 6 eine Methode kennen lernen, mit der man diese Contrarien-Rendite wenigstens teilweise und systematisch realisieren kann.
Es wird dem erfolgreichen aktiven Fondsmanager kaum gelingen, historische Renditen auch zukünftig zu erzielen. Die Gewinner von heute, werden die Verlierer von morgen sein.
5. Und es gibt sie doch! Vermögensmanager, die den Markt schlagen - Ausnahmen bestätigen die Regel
Natürlich gibt es sie: Warren Buffett, Walter Schloss, Philip Fischer, Peter Lynch,… - Investorenlegenden, die über einen langen Zeitraum so deutliche Überrenditen erzielt haben, dass dies kaum reinem Glück zugeschrieben werden kann.
Für den Anleger ist aber eine andere Frage entscheidend, um von einer solchen Manager-Leistung auch tatsächlich profitieren zu können:
- konnte man bereits frühzeitig und treffsicher erkennen, dass genau dieser Vermögensverwalter zukünftig einen überragenden Anlageerfolg erzielen wird?
- Bzw. auf die heutige Anlage-Entscheidung bezogen: welcher der heute ca. 10.000 Fonds und Vermögensmanager wird in den kommenden 10 bis 20 Jahren eine ordentliche Überrendite erzielen?
Dass die Performance der Vergangenheit in der Regel kein gutes Ohmen für die Zukunft ist, haben wir bereits kennengelernt. - Sie sehen, genau hier liegt die Krux: man kann es leider nicht treffsicher erkennen.
Fazit
Wir haben in diesem Kapitel ganz wesentliche Erkenntnisse für ein erfolgreiches Vermögensmanagement kennengelernt:
- Stock-picking, market timing, aktives ‚traden’ und Trendfolge sind keine Erfolgsstrategien. Anleger sollten dies nicht selber tun, und hierfür erst recht keinen (teuren) Profi engagieren.
- Ein aktives Mandat kommt nur für ganz spezielle, wenig effiziente Märkten in Betracht, die für den privaten Anleger nur in Ausnahmen relevant sein dürften. (Zudem stellt sich dann die Herausforderung, treffsicher den talentierten Manager für den jeweiligen Markt zu identifizieren).
- Es gibt (leider) keine Möglichkeit, heute schon die wenigen erfolgreichen Fonds- und Vermögensmanager der Zukunft zu bestimmen. Wer heute erfolgreich ist, ist es morgen eher nicht mehr.
- Wir können nochmals bestägigen, dass kein Anleger, und das gilt gerade auch für Profis, langfristig eine höhere Rendite erwarten kann, als die Marktrendite - abzüglich der Kosten.
- Die Marktrendite können Sie als Anleger kaum beeinflussen, Ihre Kosten schon. Deshalb kommt den eigenen Kosten eine solch große Bedeutung zu.
- Das Risiko der ‚wandernden’ Marktrendite kontrollieren Sie durch diversifizieren, d.h. indem man seine Anlagegelder auf möglichst unterschiedliche Märkte verteilt.
- Die Zukunft ist unsicher – für jeden. Demnach führen statistische Verfahren, welche die Entscheidung unter Unsicherheit optimieren, eher zu einem guten Anlageergebnis, als Anlagestrategien die unterstellen, dass man die Zukunft mit einer gewissen Sicherheit vorhersehen kann. Hierauf kommen wir im Kapitel ‚Buffet oder Markowitz? Konzentrieren oder Diversifizieren?’ noch ausführlich zu sprechen.
Weiter zum nächsten Kapitel:
Die 12 wichtigsten Psychologischen Fallen, die erfolgreichem Geld anlegen im Wege stehen.
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