Die Moderne Portfolio-Theorie nach Harry M. Markowitz
Antworten auf die wesentlichen Fragen der Asset Allocation gibt die Moderne Portfolio-Theorie, deren Grundlagen auf Harry M. Markowitz zurück gehen (vgl. Markowitz (1952, 1959); Elton/ Gruber, 1997). Markowitz hat nachgewiesen, dass man einer unsichern Zukunft am besten mit einem diversifizierten Portfolio verschiedener Geldanlagen begegnet: Das Ertrags-/Risiko-Verhältnis einer breit gestreuten Vermögensanlage ist jeder Investition in nur eine einzelne Anlage – und sei sie noch so gut ausgewählt – überlegen.
Harry M. Markowitz – zur Person
Harry Max Markowitz (* August 24, 1927), Professor an der Rady School of Management an der University of California, San Diego (UCSD), wurde bekannt durch seine Studien zu den Auswirkungen von Renditen, Risiken und Korrelationen einzelner Anlagen auf des Ergebnis von Portfolio-Renditen, heute bekannt als Moderne Portfolio Theorie. Neben seiner Lehrtätigkeit geht Markowitz Beratungstätigkeiten nach und hält zahlreiche Mandate, unter anderem im Advisory Panel bei Research Affiliates (einem Investment Management Unternehmen seines Kollegen Robert D. Arnott) und bei Index Funds Advisors.
1990 wurde Markowitz, zusammen mit seinen Kollegen Merton H. Miller und William F. Sharpe (Namensgeber der Sharpe-Ratio, eines risikoadjustierten Renditemaßes), für die Arbeiten zur Modernen Portfoliotheorie, die über Jahre zu einem anerkannten Theoriegebäude heranreifte, mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.
Gegenstand der Modernen Portfoliotheorie
Markowitz stellt in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen, dass einzelne Vermögensanlagen nicht isoliert, sondern stets hinsichtlich ihrer Wirkung auf das gesamte Vermögensportfolio zu beurteilen sind. Drei Parameter beschreiben dabei den Beitrag jeder einzelnen Anlage zum Ergebnis des Gesamtportfolios:
- die zukünftige Rendite jeder Anlage,
- die Schwankungsbreite der Renditen jeder Anlage – als Ausdruck des Risikos (gemessen als Standardabweichung bzw. Varianz),
- vor allem aber die Entwicklung der einzelnen Anlagen zueinander (gemessen als Korrelation).
Diese Eigenschaften können genutzt werden, um durch geschickte Kombination mehrere Anlagen (‚diversifizieren’) das Gesamtergebnis zu optimieren: Mehr Rendite bei gleichem Risiko oder weniger Risiko bei gleicher Rendite. Das Ertrags-Risiko-Verhältnis eines diversifizierten Portfolios ist jeder Anlage in nur eine einzelne Anlage überlegen.
Markowitz geht davon aus, dass Anleger zwar Rendite schätzen, die Wertschwankungen, d.h. Schwankungen in der Entwicklung der Renditen, aber als Risiko empfinden. Ein Anleger betrachtet sein Portfolio als ‚optimal’, wenn es bei dem Risiko, welches er bereit ist einzugehen, die Rendite maximiert (effiziente Portfolios). Es gibt also nicht nur ein effizientes Portfolio, sondern zu jedem Risiko ein effizientes Portfolio. Alle effizienten Portfolios entsprechend ihres Risikos nebeneinander gestellt, bilden den effizienten Rand (blaue Linie im Schaubild).
Um ein effizientes Portfolio zu konstruieren, gilt es Anlagen so zu kombinieren, dass sowohl Renditechancen wahrgenommen werden, als auch eine möglichst gleichförmige Entwicklung der Rendite des Gesamtportfolios erreicht wird. Die Wirkung von Wertschwankungen einzelner Anlagen auf das Gesamtportfolio können immer dann reduziert werden, wenn ein Ereignis bei einer Anlage, nicht immer zu einer gleichgerichteten Reaktion bei einer anderen Anlage führt (mathematisch gesprochen haben die beiden Anlagen eine Korrelation < 1). Idealer Weise sollen sich die Renditen der verschiedenen Anlagen voneinander unabhängig entwickeln (Korrelation: 0), ggf. auch negativ korrelieren (Korrelation > - 1).
Der Diversifikationseffekt in der Praxis
Diversifizieren kann das Risiko aber nur teilweise reduzieren – immerhin um etwa 1/4 bis 1/3 (Bernstein, 2000, S.72). Außerdem scheinen in ausgewachsenen, weltweiten Krisen die Korrelationen der einzelnen Anlageklassen höher zu sein, als dies der langfristige Durchschnitt erwarten lässt: wenn alle schwarz sehen, fällt alles (vgl. Longin/Solnik, 2001). ‚Diversifikation versagt (wenigstes ein Stück weit), wenn wir sie am meisten bräuchten’. Dies mag man beklagen; es ändert aber nichts an der grundsätzlichen Erkenntnis, dass sich ein diversifiziertes Portfolio vorteilhafter verhält, als Einzelinvestments – in steigenden Märkten sowieso, aber auch in der Krise.
Diversifizieren führt immer dann zu einem besseren Anlageergebnis, wenn die zukünftige Entwicklung unsicher ist, – und das ist sie nun einmal (fast) immer. (Nur wer Insider-Informationen hat, kann sich einer Entwicklung einigermaßen sicher sein, darf dann aber aus rechtlichen Gründen keinen Vorteil daraus ziehen.)
Eine ‚optimale’ Aufteilung des Vermögens auf bestimmte Anlageklassen, wie in einem effizienten Portfolio, ist somit vor allem das Ergebnis eines rationalen, mathematischen Prozesses, welcher die Kennzahlen Rendite, Schwankungsbreite der Renditen und der Korrelation der Renditeentwicklung zueinander berücksichtigt. Einzelne Anlageklassen auf Grund persönlicher Vorlieben oder Abneigungen zu bevorzugen oder auszuschließen, verschlechtert gewöhnlich das Ergebnis.
Die Moderne Portfolio Theorie bestimmt heute das moderne Anlage- und Investmentmanagement (Rudolph, 2003, S.6).
Abb.: Effiziente Portfolios aus risikoarmer und riskanterer Anlage
Betrachten wir das obige Risiko-/Ertrags-Diagramm etwas genauer:
- Die Endpunkte der Linie bezeichnen ein Portfolio bestehend aus 100% 'sicheren Anlagen', z.B. Anleihen (Punkt B), und 100% risikobehafteten Anlagen, z.B. Aktien (Punkt A).
- M bezeichnet den Anlagen-Mix mit der geringsten Wertschwankung (Minimum Varianz Portfolio), d.h., das 'sicherste' Portfolio.
- Alle effizienten Portfolios liegen auf der Linie zwischen Punk M und A. Portfolios zwischen B und M sind nicht effizient, da es zu jedem Portfolio mit einem definierten Risiko, ein Portfolio mit einer besseren Rendite gibt (zwischen M und Q). D.h.: es steigt nicht nur die Rendite, sondern es sinkt sogar das Risiko, wenn man zu einer „sicheren“ Anlage geringe Teile risikobehafteter Anlagen beimischt (die nicht vollständig korrelieren). Wir „reisen“ damit von B nach M.
- Portfolios rechts von S weisen zwar noch eine steigende Rendite auf. Ein vergleichsweise moderater Anstieg der Rendite ist allerdings mit einem deutlichen Anstieg des Risikos verbunden.
Die meisten realen Portfolios sind sub-optimal - Handlungsoptionen für den Privatanleger
Die meisten Anleger dürften eine Vermögensstruktur deutlich unterhalb der Grenzeffizienzlinie haben (im Schaubild mit X markiert).
Ein Grund können hohe Kosten der Vermögensverwaltung sein, die naturgemäß die Rendite schmälern – bei unverändertem Risiko. Kosten drücken jedes Portfolio Richtung 'Süden'.
Ein anderer Grund kann ein nicht hinreichend diversifizierter Mix der Anlagen sein: die meisten Anleger bevorzugen beispielsweise Aktien des Heimatlandes (home bias) oder sind übermäßig in einer bestimmten Anlagenklasse engagiert (Klumpenrisiko): die selbstgenutzte Immobilie oder der Bedarf nach Sicherheit binden häufig erhebliche Teile des Gesamtvermögens in einzelnen Anlageklassen. Auch können persönliche Präferenzen des Anlegers das Ergebnis beeinflusst haben. Bestimmte Anlageklassen können auf Wunsch des Kunden ggf. sogar völlig ausgeschlossen worden sein. Der Berater hat den Überzeugungen des Kunden nachgegeben, alle sind zufrieden und in Harmonie auseinander gegangen, doch die Portfoliostruktur ist suboptimal.
In jedem solchen Fall verbessert der Anleger seine Rendite und/oder verringert sein Risiko, wenn er seine Anlagen vernünftig diversifiziert und die Kosten minimiert.
Doch selbst wenn man einigermaßen rational vorgeht, bleibt eine kaum lösbare Herausforderung: es wäre reiner Zufall, heute schon die künftigen Renditen aller Anlageklassen korrekt zu schätzen.
Im dem Exkurs diskutieren wir die Lösungen, die die Theorie hierzu entwickelt hat. Weiter unten stellen wir eine empirisch abgesicherte Vorgehensweise vor, die nicht nur für den privaten Anleger überzeugend erscheit.
Exkurs
Die Moderne Portfoliotheorie ist durch weitere Entwicklungslinien zu einem ganzen Theoriegebäude gereift – nicht alles ist für den Privatanleger umsetzbar. Da mit diesen Theorien aber gelegentlich argumentiert wird, stellen wir die Theorie vor, und erklären, warum wir teilweise einen anderen Weg bevorzugen.
Portfoliotheorie - Das Separationstheorem nach Tobin:
Warum niemand mehr als 2 Fonds braucht!
Tobin hat 1958 das sogenannte ‚Separationstheorem’ ergänzt. Steht einem Anleger eine ‚sichere’ Anlage zur Verfügung, sollte das Wertpapierportfolio nicht einmal die persönliche Risikotoleranz des Anlegers berücksichtigen. In einem solchen Fall investiert der Anleger je nach persönlicher Risikotoleranz entweder mehr in das universale Portfolio aus risikobehafteten Anlagen (das sogenannte Tangentialportfolio), oder mehr in die ‚sichere’ Anlage. Rudolph (2003) meint: ‚Das Separationstheorem kann als wissenschaftliche Rechtfertigung der Fondsanlagen (…) gelten, wobei für jeden Anleger theoretisch nur zwei Fonds benötigt werden, nämlich ein Fonds für die im Tangentialportfolio enthaltenen risikobehafteten Assets und einen Fonds für die risikofreie Anlage (…).’
Fast immer werden die möglichen Kombinationen aus Tangentialportfolio 'T' und ‚sicherer’ Anlage als Grade dargestellt, liegen also - bis auf den Tangentialpunkt - immer oberhalb des ‚effizienten Rands’. D.h., der Anleger erzielt immer ein verbessertes Anlageergebnis, wenn er dem Separationstheorem folgt. Dass dem in der Realität leider nicht so ist, beschreiben wir weiter unten.
Zunächst möchten wir daran erinnern, dass auch das 'optimale' Tangentialportfolio letztlich auf Schätzgrößen basiert. Zu schätzen ist die zukünftige Entwicklung der Renditen aller risikobehafteten Anlageklassen. Diese Schätzungen sind von Anleger zu Anleger nicht nur verschieden. ‚Schätzen’ selber, weiß die empirische Forschung, ist viel zu riskant: So wie es reiner Zufall wäre, die Parameter zutreffend zu schätzen, so wäre es reiner Zufall, ein ‚optimales’ (Tangential-) Portfolio als Ergebnis zu erhalten. Doch die Finanztheorie bietet auch hierfür eine Lösung an.
Portfoliotheorie - Das Marktportfolio nach Sharpe:
Ein prognosefreies Portfolio (ohne Wetten)
William Sharpe stellte 1964 mit dem CAPM (Capital Asset Pricing Model) die folgende Lösung für das Schätz-Problem vor: Stelle die risikobehafteten Anlageklassen genau im Verhältnis ihrer Marktwerte zusammen! Beispiel: machen Aktienwerte 50% aller globalen Vermögenswerte aus, so sollte auch das sogenannte Marktportfolio zu 50% aus Aktien bestehen usw.. In einem vollkommenen Kapitalmarkt, im Marktgleichgewicht, repräsentiert der Wert aller Vermögenswerte die Präferenzen aller Anleger. So werden Schätzungen, d.h. Wetten auf eine zukünftige Entwicklung, überflüssig.
Das von Tobin beschriebene ‚Aufteilungsproblem’ reduziert sich demnach auf das für alle Anleger identische, prognosefreie Marktportfolio und eine ‚sichere’ Anlage.
Separationstheorem und Marktportfolio: Kritik aus Sicht eines privaten Anlegers
So wichtig und richtig die grundsätzlichen Überlegungen auch sind, wesentliche Annahmen der Modellerweiterungen gehen (leider) an der Realität eines Privatanlegers vorbei:
- Nur wenn der Anleger sich zum Zinssatz der sicheren Anlage auch verschulden kann, kann er auf der Graden rechts vom Tangentialpunkt ‚reisen’. Zahlt er für einen Kredit höhere Zinsen, was wohl Jedermanns Realität ist, gibt es keine Grade mehr; sie biegt sich nach unten, kann sogar unter den effizienten Rand fallen, wenn der Fremdkapitalzins die Rendite des risikobehafteten Portfolios übersteigt. Überhaupt: wir kennen niemanden, der einem Privatanleger ernsthaft rät, Aktiengeschäfte auf Kredit zu tätigen, auch wenn das Portfolio noch so gut strukturiert und diversifiziert ist.
- Es gibt keine ‚sichere’ Anlage (mehr). Sichteinlagen bei einer Bank aber auch kurz laufende Staatsanleihen können spätestens seit 2008 kaum noch als sicher gelten. Selbst wenn man dem Einlagensicherungsfonds vertraut, steht man ab € 100.000 ‚im Regen’. Zudem liegt der Zins für solche ‚sicheren’ Anlagen heute deutlich unterhalb der Inflationsrate (Im Bild startet die Grade dann kaum über dem Nullpunkt; bei negativem Zins, wie in 2013 für kurz laufende Staatsanleihen erster Bonität, sogar unter dem Nullpunkt). ‚Sicher’ ist somit alleine ein Kaufkraftverlust der ‚sicheren’ Anlage.
Darum liegt die Einsicht nahe, auch bei der ‚sicheren’ Anlage eher die Sicherheit durch eine breite Streuung des Risikos zu suchen: ein schwankungsarmes Portfolio, welches eine Verzinsung nahe oder leicht über der Inflationsrate erzielt. - In der Theorie berücksichtigt das Marktportfolio alle Anlageklassen im Verhältnis ihrer Vermögenswerte. In der Praxis ist eine andere Vorgehensweise verbreitet: man stellt ein ‚optimales’ Portfolio risikobehafteter Anlagen zusammen, meist aktienlastig. Ein solches Portfolio dürfte auf dem effizienten Rand relativ ‚weit rechts’ liegen. Mischt man ein solches renditeoptimiertes Portfolio mit der ‚sicheren’ Anlage, liegt die Gesamtperformance fast immer unterhalb des effizienten Randes (siehe Abbildung). Das Anlageergebnis ist meist suboptimal.
Für einen Privatanleger gibt es somit kaum eine Möglichkeit, ein Anlageergebnis oberhalb des effizienten Randes zu erzielen. Folgt man Tobin und mixt mit einer ‚sicheren’ Anlage, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, suboptimal anzulegen.
Das ‚Aufteilungsproblem’ kann der Privatanleger somit etwas anders interpretieren: mit je einem - für alle Anleger identischen - renditeorientiertem Portfolio risikobehafteter Anlagen (damit ziemlich weit rechts auf der Kurve), und einem risikoarmen Portfolio, welches wenigstens noch die Inflationsrate verdient.
Jeder Mix aus diesen beiden Portfolios liegt zwar nicht direkt auf dem effizienten Rand, sollte aber auch nicht weit davon entfernt sein (dies auch deshalb, weil sich eine 2-Fonds-Lösung kosteneffizient realisieren lassen sollte).
Die Praxis der Vermögensberater geht einen ähnlichen Weg und bietet für verschiedene Stufen der Risikotoleranz jeweils ein entsprechendes Portfolio an (versucht so, entlang der Grenzeffizienzlinie Angebote zu machen). Bei Kostenquoten von 2% und mehr kommen diese vermögensverwaltenden Portfolios oft aber nicht einmal in die Nähe des effizienten Randes. Kosten verschieben den Rand der besten Portfolios ‚nach Süden’.
Optimierungsverfahren führen (leider) selten zum optimalen Portfolio
Obwohl die Moderne Portfoliotheorie allgemein akzeptiert ist, wird eine mathematische Portfoliooptimierung nach dem Modell von Markowitz in der Praxis kaum eingesetzt.
Dies liegt hauptsächlich daran, dass die zukünftigen Renditen nicht genau genug prognostiziert werden können. (Wenn Finanz-Profis schon die nächsten 6-12 Monate einer einzelnen Anlage nicht genau prognostizieren können, um so den Markt zu schlagen, was kann man dann hinsichtlich mittelfristiger Prognosen für alle Anlageklassen erwarten?). Schon geringe Schätzfehler bei der Rendite führen zu extremen Portfolio-Allokationen mit deutlich sub-optimalem Anlageergebnis.
Sollte es einem Experten oder Privatanleger gelingen, die zukünftige Entwicklung so genau einzuschätzen, dass sein Portfolio sich tatsächlich als ‚optimal’ herausstellt, so ist dies gewiss Zufall. Das effiziente Portfolio lässt sich eben immer nur in einer Rückschau bestimmen. Auch historische Kursreihen, selbst wenn Sie für 40 Jahre vorliegen sollten (und nur für diesen Zeitraum gibt es ein einigermaßen komplettes Set an Markt-Indizes), sind immer noch zu ungenau, können lediglich Indizien für die Entwicklung der Zukunft liefern, oft nicht einmal das.
Wer dagegen Korrelationen bei der Zusammenstellung seines Portfolios berücksichtigt, verbessert sein Anlageergebnis (vgl. Michaud, 1989).
Mit seinem Portfolio genau auf der effizienten Linie zu liegen, ist also eher Zufall. Aber es wäre ja schon nicht schlecht, wenigstens nahe an der Effizienzlinie zu sein. Hier gibt es durchaus Ansätze, mit denen man zumindest nie sehr weit weg sein sollte vom effizienten Portfolio, was immer die Zukunft auch bringen mag.
Portfolios ‚ohne Wetten’ – Eine naive Gleichgewichtung ist überraschend nahe am Optimum
Wie wir gesehen haben, basiert das entscheidende quantitative Tool des Portfoliomanagements – die Ertrags-/Varianzanalyse, auf Annahmen, von denen wir wissen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit falsch sind. Es liegt daher durchaus nahe, gerade auf die Schätzung der Rendite ganz zu verzichten, denn von dieser Schätzgröße geht potentiell der größte Schaden aus.
Verzichten wir auf Prognosen der Rendite, sind wir wiederum bei einem passiven Management, hier der Vermögens-Allocation.
So zeigt Michaud (1989), dass gleichgewichtete Portfolios, also Portfolios, in dem jede Anlageklasse mit identischem Gewicht vertreten ist, überraschend gute Ergebnisse erzielen. Wenn man es eben nicht besser weiß, … bzw. besser: Da man es nicht besser wissen kann, investiert man in jede Anlageklasse den gleichen Betrag. Prognosefrei! Ohne sich eine Meinung über die Zukunft zu erlauben.
Dass eine solch triviale Vorgehensweise zu durchaus guten Ergebnissen führt, mag zunächst überraschen. Es passt jedoch konsistent zu den bisherigen Erfahrungen, dass sich ‚Wetten’ auf eine unbekannte Zukunft eben nicht auszahlen.
Wir werden in Schritt 4 nochmals auf diesen Aspekt zurück kommen, wenn wir uns mit der konkreten Struktur des persönlichen Portfolios befassen.
Fazit: Wesentliche Erkenntnisse, die die Portfolio-Theorie so wertvoll machen
- Diversifizieren führt zu einem verbesserten Anlageergebnis.
- Es geht um das Diversifizieren auf der Basis von Anlageklassen (nicht von Einzelwerten).
- Je mehr Anlageklassen man kombiniert, die nicht vollständig miteinander korrelieren, umso besser das Ergebnis – egal wie die Zukunft auch aussehen mag.
- In effizienten Portfolios gibt es eine höhere Rendite nicht ohne höheres Risiko.
- Die vom Anleger angestrebte Ziel-Rendite entscheidet über das Risiko, welches der Anleger in Kauf nehmen muss; bzw. umgekehrt:
- Die Risikotoleranz des Anlegers hinsichtlich Schwankungen des Gesamt-Portfolios bestimmt die maximal erzielbare Rendite.
- Niemand kennt heute das ‚optimale Portfolio’ von morgen – wer dies behauptet, ist unseriös.
- Die Erfahrung mit mathematisch optimierten Portfolios zeigt:
- Experten, die mit teilweise hohem Aufwand versuchen die Zukunft zu prognostizieren, maximieren voraussichtlich den Schätzfehler, d.h. erhalten ein Portfolio, welches unter Umständen maximal daneben liegt.
- Sich keine Meinung zu den zukünftigen Renditen zu erlauben, sprich: auf die Schätzung der Rendite ganz zu verzichten und einem prognosefreien, ‚passiven’ Ansatz folgen, scheint nicht die schlechteste Lösung.
- Diversifizieren hat weitere, psychologische Vorteile:
- Diversifizieren ermöglicht es selbst dem risikoscheueren Anleger, die Vorteile einer Vielzahl von Anlageklassen für sich zu nutzen. Wenn beispielsweise nur 10 % des Portfolios in Aktien von Schwellenländern investiert sind, sollte auch der risikoscheue Anleger die Wertschwankungen dieser Anlageklasse aushalten können und damit von den Rendite- und Diversifikationseffekten dieser Anlageklasse profitieren können.
- Extra-Rendite durch konsequentes Re-Balancing. Diversifizieren bedeutet auch, dass von Zeit zu Zeit die ursprüngliche Gewichtung der Anlageklassen im Portfolio wieder herzustellen ist. Konsequentes Re-Balancing erzieht dazu, sich entgegen der vorherrschende Meinung zu verhalten: Anlagen, die ‚gut gelaufen’ sind werden reduziert (verkauft) und diejenigen, die sich unterdurchschnittlich entwickelt haben, werden aufgestockt (gekauft). Je breiter die Anlagen diversifiziert sind, d.h. je kleiner jede Anlagenklasse im Portfolio repräsentiert ist, umso leichter sollte es einem Anleger fallen, die psychologische Barriere zu überwinden und ‚low performer’ aufzustocken. Vielleicht entwickelt der Anleger sogar Freude am ‚billigen einkaufen’.
Lesen Sie weiter im nächsten Kapitel:
Anlageklassen und deren 'Charakter'
Literaturhinweise
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